: Nach der Spitzelaktion kam die Beförderung
■ Im Prozeß gegen prügelnde Polizisten konnte sich der Zeuge schlecht erinnern
Der Zeuge schwitzt. Sein Mund zittert. Ein Polizist als Kronzeuge in einem Prozeß gegen Polizisten: Kein leichtes Spiel, weder für den Zeugen noch für die Staatsanwaltschaft.
Der Polizeibeamte Andreas R. ist Hauptbelastungszeuge der Anklage in dem Prozeß gegen acht ehemalige Polizeikollegen einer Direktionshundertschaft aus Kreuzberg (die taz berichtete zuletzt am 25. 9.). Die inzwischen vom Dienst suspendierten Beamten sind angeklagt, zwischen Mai und August 1994 vorläufig festgenommene Verdächtige im Gruppenbus brutal zusammengeschlagen zu haben. Bei der gestrigen Verhandlung im Moabiter Landgericht saß Andreas R. inmitten der angeklagten ehemaligen Kollegen. „Ich habe das alles schon mal gehört, aber ich kann mich nicht mehr erinnern“, sagte er. Immer wieder verwies der unsicher wirkende Zeuge auf seine Vernehmung vom 17. August 1994, als eine Razzia der Polizei die Machenschaften des Polizeizugs aufdeckte.
Andreas R. war nicht immer Spitzel. Erst im Mai 1994 bekam er von seinen Vorgesetzten beim Mobilen Einsatzkommando des LKA den Auftrag, Ermittlungen bei der Kreuzberger Dienststelle aufzunehmen. Zu dem Zeitpunkt lief gegen ihn ein Disziplinarverfahren, weil er angetrunken im Dienst einen Autounfall verursacht hatte. Nach eigenen Angaben weiß Andreas R. nicht, warum ausgerechnet er diese schwierige Spitzelaufgabe bekommen hatte. „Wenn nicht ich, dann hätte es jemand anders gemacht.“ Die Anwälte der Angeklagten versuchten, den Zeugen als unglaubwürdig darzustellen. „Haben Sie in dem Auftrag eine Bewährungschance für sich gesehen?“ Das verneinte Andreas R. Auf Verwunderung der Anwälte stieß auch seine Erklärung, daß er seine Vorgesetzten nie gefragt habe, um welche „bestimmten Unregelmäßigkeiten“ in dem Polizeizug es sich gehandelt habe. Bei einer früheren Verhandlung wurde der Zeuge gefragt, warum er nicht eingegriffen habe, wenn es zu Straftaten der Kollegen gekommen war. „Ich hatte nur den Auftrag, meinem Chef die Tatvorgänge telefonisch mitzuteilen.“
Auf höhnisches Gelächter der ehemaligen Kollegen stieß die Aussage des Zeugen, daß er unmittelbar nach Beendigung seiner Undercoveraktion wieder zu seiner alten Dienststelle zurückkam, und dort von Polizeimeister zum Polizeiobermeister befördert wurde. „Sie haben in Ihrer Vernehmung vom August 1994 ja kein gutes Haar an Ihren Kollegen gelassen. Hat Ihnen die Aufgabe Spaß gemacht?“ fragte ihn ein Anwalt. Fast schien es, der Zeuge ist der Angeklagte. Tim Köhler
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