: Koalition streitet um Sparpaket
■ Verkauf von Landesvermögen stößt in der SPD auf heftige Kritik. SPD-Fraktionsvorsitzender Böger schließt Sonderparteitag nicht aus. Opposition und Gewerkschaften werfen Senat Versagen vor
Kaum geschnürt, gibt es im Senat heftige Streitigkeiten über das Sparpaket. Der CDU-Generalsekretär Lawrentz drohte der SPD, die Zustimmung zur vorgezogenen Erhöhung der Gewerbesteuer zurückzuziehen, falls die Sozialdemokraten dem beschlossenen Verkauf von Landesvermögen nicht zustimmen. Die geplanten, aber noch nicht im Detail beschlossenen Verkäufe von Landeseigentum waren vom stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Klaus- Uwe Benneter heftig kritisiert worden.
Sie seien „Schlußverkäufe“, um „in nackter Angst die Koalition zu retten“. Die Veräußerung von Landesvermögen werde „irreparable Schäden für die nachfolgende Generation anrichten“. Er werde alle in der SPD auffordern, dem Konzept nicht zuzustimmen, sagte Benneter mit Blick auf einen möglichen Sonderparteitag. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger wollte nicht ausschließen, daß es zu einem solchen Sonderparteitag kommt. Es sei jetzt Aufgabe der Finanzsenatorin, die einzelnen Verkaufsoptionen zu prüfen, sagte Böger. Das Schwarze- Peter-Spiel müsse jetzt aufhören. Wer einzelne Beschlüsse des Sparpakets in Frage stelle, müsse sagen, wie er die entsprechende Summe aufbringen wolle.
Er räumte ein, daß die Ergebnisse der sechtstägigen Sparklausur „nicht der große Wurf“ seien. Die 1,4 Milliarden Einsparungen seien nur „Noteingriffe“, aber keine strukturellen Kürzungen. Er räumte auch eine Reihe von Haushaltsrisiken ein. So seien die Verluste von 300 bis 400 Millionen Mark, die die von Bonn betriebene Abschaffung der Vermögenssteuer verursachen dürfte, noch nicht im Haushalt eingestellt. Ein Teil der Programme „Jugend mit Zukunft“ habe nur über Lottomittel abgesichert werden können.
CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky verteidigte den Haushaltskompromiß. Weitere Kürzungen seien nicht zu schaffen gewesen, weil die Belastungsgrenze für die Bürger erreicht sei, so Landowsky, der das Haushaltsloch am liebsten durch eine noch höhere Verschuldung verdeckt hätte.
Die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Schreyer, erklärte, der Senat habe nach „sechs Tagen Affentheater“ vor der Aufgabe der Haushaltskonsolidierung „kapituliert“. Erfreulich sei zwar die geplante Anhebung der Gewerbesteuer. Die Wiedereinführung der Stellplatzabgabe hingegen bezeichnete Schreyer als „Mogelpackung“, weil diese für Gewerbebauten weitgehend entfalle. Insgesamt, so Schreyer, könne von einem „Nullwachstum“ im Haushalt keine Rede sein, weil der Senat im Etat von 1997 mit 45,3 Milliarden Mark den Fehlbetrag von 2 Milliarden Mark aus 1995 nicht ausgeglichen habe. Die Summe aus Kreditaufnahme und geplanten Erlösen aus Vermögensverkäufen erreiche eine Rekordhöhe von 11,2 Millionen Mark und schieße damit selbst noch über Pierothsche Verhältnisse hinaus. Als „unerträglich“ bezeichnete Schreyer die Kürzung des Pflegegeldes sowie die Absenkung der Sozialhilfe für Flüchtlinge.
Als „großen Bluff“ wertete der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf das Sparresultat. Nicht nur die erhofften Vermögensveräußerungen von 5,8 Milliarden Mark seien „ungedeckte Wechsel“. Ebenso müßten die Globalsparsummen, die noch nicht in einzelne Haushaltstitel umgesetzt seien, „als schlechter Witz bezeichnet werden“. Der Senat sei mit seinem Latein am Ende.
Für die DGB-Landeschefin Christiane Bretz und den ÖTV- Vorsitzenden Kurt Lange bedeuten die Ergebnisse der Sparklausur eine „kurzsichtige Politik des Löcherstopfens“. Besonders „unverständlich“ seien die beabsichtigten Kürzungen im Lehr- und Lehrmittelbereich sowie bei den Hochschulen. Ein HdK-Sprecher erklärte, die erneuten Kürzungspläne gingen „an die Substanz des Wissenschaftsstandortes Berlin“. Dorothee Winden
Siehe auch Berichte Seite 30 und 32
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen