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„Ach, weißt du noch, damals?“

Was übrigbleibt: Ausstellung über die „VEB Werkzeugmaschinenfabrik Marzahn“ im Stadtmuseum  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Die DDR hat sich in den letzten sieben Jahren sehr verändert. Vor 1989 bedauerte man das unterdrückte DDR-Volk, kurze Zeit lobte man die Novemberrevolutionäre, inzwischen denunziert man wieder gern „den Ostler“ im bösen Spiegel wegen Undankbarkeit und Sklavenmoral und weil ihm Gleichheit und soziale Sicherheit wichtiger sei als Freiheit. Doch so sehr unterscheidet sich die Ost- Sicht auf die DDR vielleicht gar nicht von der Westsicht: ob die Puhdys spielen oder Renft oder ob bei Ostpartys Manfred Krug aufgelegt wird, die heimelig-nostalgische Atmosphäre ist die gleiche.

Vor ein paar Monaten kümmerte sich die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst in ihrer gelungenen Ausstellung „Wunderwirtschaft“ um DDR-Alltags- und Konsumgüter der sechziger Jahre, seit gestern präsentiert das inzwischen im Stadtmuseum Berlin aufgegangene „Museum Berliner Arbeiterleben“ in der Ausstellung „Voll beschäftigt/halb versorgt“ Teile einer Sammlung von Resten der VEB Berliner Werkzeugmaschinenfabrik Marzahn (BWF).

Ein spannendes Projekt eigentlich, bei dem man einiges über die Unterschiede von Konsum- und Arbeitsgesellschaft hätte erfahren können. Anhand der Geschichte eines DDR-Vorzeigebetriebs, der 1989 noch 2.650 Leute beschäftigt hatte – mittlerweile „verteidigen weniger als 200 Mitarbeiter den guten Ruf der Firma“ (Katalog) –, hätte man all denen, die nicht dabei waren, zeigen können, wie die „starke Betriebszentriertheit der DDR-Gesellschaft“ tatsächlich funktionierte. Nur leider gibt sich die ohnehin schon viel zu kleine Ausstellung etwas sehr bescheiden, fast ängstlich. An einer Wand steht zwar eine große Schultafel, auf der eine „FDJ-Gruppenversammlung Bereich FB-II“ angekündigt wird – unter dem Motto „Unsere Liebe, unsere Tat, unserem sozialistischen Vaterland – der Deutschen Demokratischen Republik“ –, doch die Ausstellung gibt sich eher erklärungsarm.

Im „Vertrauen auf den mündigen Kulturbürger“, wie es in der Eröffnungsrede hieß, verzichtet man auf jeden Kommentar, jede Tafel, die die ausgestellten Dinge in irgendeinen Zusammenhang stellen könnte, als würde sich alles von selbst verstehen. Vielleicht ist es aber auch nur so, daß der interessierte Besucher dazu gebracht werden soll, sich den Ausstellungskatalog zu kaufen.

Im Zentrum des einzigen Ausstellungsraums steht eine „Kubo- Oktaeder“-Zeltkonstruktion. Darin hängen, liegen, stehen: Radios, Arbeitskittel, ein Werbeplakat für den „BWF-Treppenrutscher“, ein seltsames Gerät, das das Kinderwagenschieben auf Treppen erleichtern sollte und im Rahmen der „1.000-kleine-Dinge“-Kampagne neben der eigentlichen Produktion hergestellt wurde, diverse Wimpel und Fähnchen und das Gästebuch des Musterbetriebs, der gerne ausländischen Gästen vorgeführt wurde.

An einer Wäscheleine hängen Arbeiterfotos, die meist in der Betriebszeitung „Arbeiterstandpunkt“ veröffentlicht wurden. Schöne Fotos, interessante Fotos, Küchenbrigaden, Lehrlinge, Betriebszahnärzte, Versammlungen, Losungen („Mit Weltspitzenerzeugnissen Exportfähigkeit sichern!“), ganz am Rande finden sich auch vietnamesische und koreanische Vertragsarbeiter, über die man sonst auch nichts weiter erfährt. Auch die ebenfalls an einer Wäscheleine hängenden Brigadebücher wirken eher dekorativ und laden nicht unbedingt zum Lesen ein.

Am Rande stehen ein paar Robotron-Computer, deren techno- orange Bildschirmverschalung sehr hübsch und optimistisch mit der grasgrünen Bildschirmschonerfolie kontrastiert. Daneben läuft der erste Fernsehfilm, den ein westdeutsches Team in der DDR drehen durfte.

„Ich bin Bürger der DDR“ (Erika Runge, Michael Ballhaus) handelt von einem BWF-Arbeiter, seiner Familie und seiner Brigade. Trotz vieler Proteste wurde er 1973 im Abendprogramm des WDR ausgestrahlt. Interessant, daß die Markennamen in dem Film alle weggedreht sind und daß die Protagonisten so aussehen wie die Helden früher Fassbinder-Filme.

Die Ausstellungsmacher – ehemalige Betriebsangehörige der Berliner Werkzeugmaschinenfabrik, die im Rahmen zweier (!) ABM-Maßnahmen die Geschichte ihres Betriebs „aufarbeiten“ und Museumsmitarbeiter – hätten sicher mehr aus ihrem Thema machen können. Vielleicht richtet sich die Ausstellung aber auch nur an die, die dabei waren und ganz verwirrt sind von der vorbeirasenden Zeit und Momente nostalgischer Erinnerung brauchen. „Daß man sagt“, wie der Verleger des Ausstellungskatalogs Dr. Wilke: „Ach, weißt du noch damals!“

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