: Bremen-Bernburg-Tiflis und zurück
■ Die Unibibliothek Bremen bekommt 40.000 wertvolle Bände aus Georgien wieder / Binationaler Kooperationsvertrag
40.000 Bücher aus Beständen der ehemaligen, 1660 gegründeten Senatsbibliothek und des „Gymnasium illustre“, des akademischen Vorgängers der Universität Bremen (die taz berichtete), kommen im nächsten Frühjahr aus Georgien zurück nach Bremen. Möglich macht dies ein Kooperationsvertrag zwischen der Zentralbibliothek der Georgischen Akademie der Wissenschaften, der Staatlichen Hochschule für westeuropäische Sprachen und Kulturen in Tiflis und der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Profitiert haben davon nicht nur die Bremer Uni, sondern auch Bibliotheken in Magdeburg, Hamburg, Halle, Lübeck, Leipzig und Berlin.
Jahrzehntelang als Kulturbeutegut in sowjetischen Archiven gelagert, wurden die Bände aus dem 18. und 19. Jahrhundert erstmals wieder bewegt. Zur Zeit befinden sie sich in einem Zwischenlager der Staatsbibliothek Berlin, bevor sie 1997 dorthin zurückkehren, wo sie hingehören. Bei den Bremer Bibliothekaren dürften sich wohlige Gefühle einstellen, halten sie die Bücher erst wieder in Händen, denn die Signaturen der zwangsausgelagerten Bücher sind identisch mit denen der Verlustkartei, in der die 100.000 vermißten Bände erfaßt sind.“
„Einen guten Querschnitt durch den Altbestand“ böten die 40.000 heimkehrenden Folianten, sagt Annette Rath-Beckmann, Direktorin der Unibibliothek. Jura, Philosophie, Theologie, Reiseliteratur, Enzyklopädisches sowie Forschungsliteratur findet sich darunter – ein Bestand, der künftig auch den Bremer StudentInnen zu Forschungszwecken offenstehen wird, betont sie.
Mit dem Ruhm, die Georgier zur Rückgabe der Kriegsbeute bewegt zu haben, „können wir uns aber nicht schmücken“, sagt die Bibliotheksdirektorin. Zu verdanken ist die georgische Offerte einem ergiebigen Treffen von Ex-Außenminister Genscher und Eduard Schewardnadse 1993. Sowie natürlich den Unterzeichnern und Initiatoren des Kooperationsvertrages Nodar Gurgenidse, Direktor der Zentralbibliothek der Akademie der Wissenschaften Georgiens, und Professor Juri Mosidse, Rektor der Staatliche Hochschule für westeuropäische Sprachen und Kulturen, Tiflis.
Drei Jahre später reiste eine Delegation der Deutschen Bibliothek in Frankfurt nach Tiflis, um sich vom Zustand der Bücher zu überzeugen. Die Bücher waren seit Anfang der 50er Jahre verschollen; damals wurden sie – lieblos auf offenen Lastwagen – aus den Tiefen des Salzstocks in Bernburg, wo die Bibliotheken sie zum Schutz vor Luftangriffen verwahrt hatten, in die Sowjetunion transportiert.
Mit der Rückgabe der Bücher ist eine weiterreichende Kooperation zwischen der Bremer Uni und den georgischen Partnern verbunden: Die Georgier bekommen zwei Computer geschenkt; der Informationsfluß läuft via Internet, kostenlos können die Georgier on-line-Bestellungen schwer zugänglicher Forschungsliteratur in Bremen bestellen (im Wert von 30.000 Mark jährlich). Dafür liefern die georgischen Hochschulen eigene Forschungsliteratur nach Bremen. Zur „Intensivierung ihrer Zusammenarbeit und zur gegenseitigen Fortbildung“ werden MitarbeiterInnen zu Hospitationen ausgetauscht.
Daß die Rückgabe von Kulturbeutegütern so reibungslos klappt wie mit Georgien, ist nicht selbstverständlich. Auch in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg und im sibirischen Tomsk lagern noch 20.000 Bände aus Bremer Beständen. Ob diese Bestände in absehbarer Zeit nach Bremen zurückkehren werden? „Wir geben die Hoffnung nicht auf“, sagt Annette Rath-Beckmann. Schon die Verfilmung auf Mikrofiches „wäre ein Anfang“; bloß: das Vorhaben scheitert schon an den Kosten – circa eine Million Mark.
Alexander Musik
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen