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„Menschen helfen“ – gegen Bares

Beamter der Ausländerbehörde wegen Bestechlichkeit vor Gericht  ■ Von Elke Spanner

Norbert K. ist nicht nur Beamter in der Ausländerbehörde, sondern auch ein großherziger Mensch. Als solcher wollte er „Menschen helfen, doch das Ausländergesetz stand dem entgegen“. So mißachtete er dessen Wortlaut und erteilte in neun Fällen Aufenthaltsrechte, in denen es nach den Buchstaben des Gesetzes ungerechtfertigt war. Seine Nächstenliebe ließ sich K. allerdings kräftig entlohnen. Wegen Bestechlichkeit im Amt muß er sich seit gestern vor dem Amtsgericht Hamburg verantworten.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft räumte K. im wesentlichen ein. Die Türkin Zümrin S. habe die Geschäfte vermittelt. Er habe sich Dienstsiegel und Aufkleber, über die er als Abteilungsleiter nicht verfügte, von MitarbeiterInnen besorgt und die Aufträge ausgeführt. Mal ignorierte er dafür die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen, mal führte er sie durch entsprechende Manipulation der Akten selbst herbei.

In einem Fall etwa vernichtete K. einen Strafbefehl, der dem Bleiberecht im Wege stand. In einem weiteren Fall bescheinigte er per Dienstsiegel, eine vorgeschriebene Anhörung mit einem deutsch/jugoslawischen Ehepaar durchgeführt zu haben – ohne, daß die Ehefrau des real seit längerem getrennten Paares zugegen war. In dem Wunsch, das Verfahren zügig abzuschließen und auf die Vernehmung von ZeugInnen zu verzichten, gestand er vor dem Richter, was er tat und warum.

Seine barmherzige Motivation verkehrte sich dabei schnell zu einem Klaglied über seine eigene Unbedarftheit. Unglücklich sei er auf seiner Stelle gewesen, jammerte er, Angst habe er davor gehabt, „über menschliche Schicksale zu entscheiden“. Der seit 33 Jahren im Öffentlichen Dienst Tätige habe zunächst „naiv und blauäugig“ Geschenke angenommen und sich darüber gefreut, „endlich Anerkennung für meine Arbeit bekommen zu haben“. Dann jedoch will er zum Opfer geworden sein: „Frau S. drängte mir das Geld nahezu auf. Wenn sie mein Büro betrat, fühlte ich mich beklommen.“ Die Beklemmung behinderte allerdings nicht den Griff nach den Geldscheinen. Mehrere tausend Mark kassierte K. zwischen 1992 und 1993 ab.

Seit nunmehr dreieinhalb Jahren ist der Regierungsamtsmann dafür vom Dienst suspendiert. „Die schwerste Zeit meines Lebens“, klagte er: Morgens würde er das Haus verlassen, um den Kindern ein normales Berufsleben vorzu-gaukeln, tagsüber würde er sich vor den Nachbarn verstecken. Er lieferte dem Gericht Vorschläge für eine Bestrafung, die sein „Leiden“ nicht verlängere: Nur bei einer Haftstrafe von unter einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, würde er nicht aus dem Beamtenverhältnis in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. „Sonst würde ich zum Sozialfall werden, was vor allem meine drei kleinen Kinder bestrafen würde.“

Trotzdem wird der Prozeß fortgesetzt.

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