: Italienisches Flair in der Trafofabrik
Peter Barg, Ex-Geschäftsführer von Ruhnke-Optik und Kultursponsor, hat das gesamte AEG-Gelände in Oberschöneweide gekauft. Billige Mieten für High-Tech-Betriebe und Künstler ■ Von Hannes Koch
Der Investor ist begeistert. Seit wenigen Tagen gehört Peter Barg der größte Teil der alten AEG- TRO-Transformatorenfabrik am Spreeufer in Oberschöneweide. Und schon sieht der Sproß einer „uralten Mailänder Familie“ eine Pinienallee vom Werkstor hinunter zur Spree gepflanzt. Die Fabrikschuppen, die sich im hinteren Teil des Geländes ducken, will er abreißen lassen. Sein zukünftiges Büro plant er am Wasser – mit Blick auf den Park, der am anderen Ufer auf einer Industriebrache entstehen soll.
„500 bis 1.000 Arbeitsplätze“ will Peter Barg in den verklinkerten Fabrikkathedralen unterbringen: High-Tech-Betriebe Seite an Seite mit Künstlerateliers und Veranstaltungsräumen. Das Kultur- und Technologiezentrum „Rathenau“, benannt nach den AEG- Gründervätern, soll keine „Abholmärkte“ beherbergen, sondern das Schöne, Gute, Wahre.
Die Miete für jeden der 53.000 Quadratmeter liegt mit sechs bis 13 Mark weit unter dem marktüblichen Satz. Trotzdem werde das Projekt die Betriebskosten und den Kaufpreis wieder hereinholen, erklärt der Investor. Die an die Treuhandnachfolgerin BvS gezahlte Kaufsumme, über deren Höhe er keine Angaben macht, sei relativ gering ausgefallen. Außerdem habe der Daimler-Konzern, der die Transformatoren-Fertigung zum Jahresende eingestellt hatte, auf Entschädigungen für seine verlorenen Investitionen verzichtet. Barg bietet den Mietern Verträge mit einer zehnjährigen oder längeren Laufzeit.
Auf den riesigen Industriearealen des „Spreeknies“ wird sich nun ein munterer Wettbewerb um die MieterInnen entwickeln. Neben Bargs Neuerwerbung bemüht sich die landeseigene Berliner Landesentwicklungsgesellschaft BLEG schon seit geraumer Zeit, 30.000 Quadratmeter Büro- und Gewerbefläche unter die Leute zu bringen. Dort liegt der Mietpreis bei 12,50 Mark für Gewerbe und 16 Mark für Büros. Ergebnis bisher: ein Vermietungsstand von 30 Prozent. Die BLEG sieht aber keine Probleme durch die billige Konkurrenz: Im Gegensatz zu Barg habe man die giftigen Altlasten weggeräumt und überall ISDN- Anschlüsse gelegt. Der gute Zustand der Stockwerkfabrik rechtfertige den leicht höheren Preis.
Barg sieht den Kultur- und Gewerbepark als „Hobby“. Geld verdienen muß er nicht mehr. Jahrelang leitete er den Fielmann-Konkurrenten Ruhnke-Optik als Generalbevollmächtigter. Barg heiratete in die Familie Ruhnke ein und verfügt über gute Kontakte in Wirtschaft und Politik.
Aus diesem Fundus gedenkt er zu schöpfen, um die Hallen zu füllen. „Rund 15.000 Quadratmeter haben wir innerhalb von zehn Tagen vermietet“, sagt der braungebrannte Tennisspieler. Beispiel: Ein Freund mit einer Feinmechanikfabrik wolle einziehen. Der habe sich auch deshalb entschlossen, weil er zusätzlich ein großes Atelier mieten könne, um seiner Hobby-Malerei zu frönen: Kunst und Wirtschaft Hand in Hand.
Als Mitarbeiter hat Barg den ehemaligen DDR-Rechtsanwalt Wolfgang Schnur eingestellt. Einst Chef der Nachwende-Organisation „Demokratischer Aufbruch“ und Intimus von Kanzler Kohl, war er über die Bespitzelung von Mandanten im Auftrag der Stasi gestolpert.
Peter Barg betätigt sich seit längerem als Kultur- und Sozialsponsor. Nach eigenen Angaben finanziert er Konzerte des Berliner Radio-Sinfonie-Orchesters. Der „Wirtschaftshof Spandau“, eine mildtätige Unternehmer-Stiftung, schüttete im vergangenen Jahr 42.000 Mark an Sozialhilfeempfänger und bedürftige Jugendliche aus. Zusammen mit italienischen Prominenten stellt er Schulen kostenlose Videofilme zur Verfügung, die klassisch vertonte Brieftexte antifaschistischer Widerstandskämpfer präsentieren. Der Investor hat sich mit seinem Projekt in einen sozialen Brennpunkt begeben. Oberschöneweide verfällt zusehens – auf der Wilhelminenhofstraße, der Schlagader des Stadtteils, stehen viele Häuser leer. Von den ehemals rund 30.000 Beschäftigten der Kabelwerke, des Werks für Fernsehelektronik und des Transformatorenwerks arbeiten heute noch zehn Prozent. Die letzten 350 TrojanerInnen wurden von Daimler-Benz gerade in die Arbeitslosigkeit geschickt.
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