: Solidarität statt Almosen
■ "Investitionen in Gerechtigkeit": EDCS-Kleindarlehen sind seit 22 Jahren erfolgreich. Gefördert werden vor allem Projekte in den Entwicklungsländern. Privatanleger sind mit 500 Gulden dabei
Als Ende der sechziger Jahre bekannt wurde, daß ausgerechnet der Vatikan Aktien von Unternehmen besaß, die auch Geschäfte mit Rüstungsmaterial und Verhütungsmitteln machten, nahmen dies viele Christen zum Anlaß, Alternativen der kirchlichen Geldanlage zu suchen. Insbesondere sollten solche Geldanlagen auch soziale Zwecke erfüllen.
Der Vatikan hat zwar seinerzeit seine „Pillen-Aktien“ verkauft, sich aber selbst an den ökumenischen Diskussionen zu diesem heiklen Geldthema kaum beteiligt. 1975 ging aus den Überlegungen die Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft (Ecumenical Development Cooperative Society, EDCS) hervor, als Folge der „Erkenntnis der Verstrickung in ungerechte wirtschaftliche Strukturen und der Einsicht in die Notwendigkeit, ökumenische Solidarität und eine gerechtere Zukunft zu verwirklichen“.
Man wollte aber keine Almosen geben, sondern sich im Teilen und Leihen üben. Einzelpersonen und Kirchengemeinden stellen dabei einen Teil ihres Vermögens – Rücklagen, die sie selbst zeitweise nicht benötigen – der EDCS als Genossenschaftseinlage zur Verfügung. Mit diesem Geld werden dann mittels zinsgünstiger Darlehen ausgesuchte Projekte in den armen Ländern finanziert: „Dort wollen und können sich viele Menschen etwas erarbeiten, wenn sie Starthilfen zu fairen Bedingungen erhalten.“
So wurde denn auch als Zweck der EDCS die „Beschaffung von Finanzierungskrediten und Geldmitteln zur Förderung der Entwicklung der armen Gebiete der Welt“ angegeben.
Neben den Gründungsmitgliedern Weltkirchenrat und Kirchenrat der Niederlande (dort ist auch der Stammsitz der weltweit tätigen EDCS) gibt es inzwischen eine Vielzahl von nationalen und regionalen EDCS-Förderungskreisen. Man kann jederzeit Anteile am Grundkapital erwerben, das schon vor Jahren die Grenze von 100 Millionen Gulden überschritten hat. Die Zahl der Mitglieder ist inzwischen auf über 250 angestiegen, wovon rund 40 Prozent aus der Dritten Welt kommen. Das Direktorium der EDCS besteht aus 15 Mitgliedern, wobei die Mehrheit immer aus den armen Ländern des Südens stammt.
Nicht zuletzt die zunehmende Verschuldung vieler Entwicklungsländer, die schon mehr Zinsen zurückgezahlt haben, als sie je an Krediten erhalten haben, zeigt die Absurdität der gegenwärtigen Geldströme von Süd nach Nord. EDCS will gegensteuern: Kapital soll vom Norden in den Süden fließen und dort produktiv eingesetzt werden – und zwar nicht in einer einmaligen Aktion, sondern immer aufs neue von einem Kreditnehmer zum nächsten.
Die EDCS-Genossenschaft hat fast 300 Kirchen und kirchennahe Organisationen (zum Beispiel Ordensgemeinschaften) sowie rund zwei Dutzend „weltliche“ Förderkreise und Entwicklungsfonds aus allen Kontinenten als Mitglieder. Die EDCS-Anteile sind die wirtschaftliche Basis für die Kredite, fallweise auch Bürgschaften und direkte Kapitalbeteiligungen für Projekte in armen Ländern.
Regionale Schwerpunkte sind dabei Süd- und Mittelamerika, Karibik sowie Asien. Hinsichtlich der geförderten Branchen gibt es eine breite Streuung, wobei Landwirtschaft, die Verarbeitung von Nahrungsmitteln, Hausbau, Handel und Handwerk oft direkt Kredite erhalten. Zunehmend aber gehen auch EDCS-Gelder an lokale kleine Kreditgenossenschaften, die ihrerseits einheimisches Sparkapital mobilisieren können und außerdem wertvolle Beratungs- und Weiterbildungsdienste anbieten.
Die Kreditnehmer müssen bestimmte Kriterien erfüllen: Das geförderte Projekt soll armen und benachteiligten Menschen nützen, mögliche Gewinne sollen vielen Menschen zugute kommen und nicht zur Bereicherung einzelner führen. Das Projekt soll zum sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritt in der Region beitragen. Bevorzugt werden genossenschaftliche Organisationsformen und Projekte von und mit Frauen.
Und – last not least – soll das Projekt auch wirtschaftlich eigenständig und lebensfähig sein, das heißt, die Darlehen sollen nach Ablauf der vereinbarten Zeit wieder für neue Projekte zur Verfügung stehen. Mit dem Kapital von EDCS konnten zum Beispiel die Kaffeegenossenschaften Uciri (Mexico) und Coocafe (Costa Rica) ihre Infrastruktur und damit die Vermarktungsmöglichkeiten deutlich verbessern und höhere Preise für ihre Produkte erzielen.
Für Einzelpersonen ist die Geldanlage bei EDCS nur über einen der Förderkreise möglich. Ein Anteil kostet 500 holländische Gulden. Meist wird eine jährliche Dividende von zwei Prozent – das ist zugleich die beschlossene Obergrenze – ausgeschüttet, nur bei größeren Kreditausfällen könnte dieser Satz auf Null gekürzt werden. Das kam aber bisher kaum vor, im Gegenteil: Die Zahlungsmoral der Kreditnehmer ist besser als die bei manchen Großbanken.
Sicherheiten wie bei einem Sparbuch gibt es für die Anleger bei der EDCS allerdings nicht. Die „Investition in Gerechtigkeit“ hat auch Risiken, denn bis zu 20 Prozent des von der EDCS weitergereichten Kapitals sind durch verschiedene Faktoren in Gefahr (Naturkatastrophen, sinkende Rohstoffpreise, unerfahrenes Management oder Währungsabwertungen). Ein Reservefonds zur Abdeckung dieser Ausfallsrisiken und Abschreibungen wird von der EDCS-Genossenschaft und von Darlehensnehmern zu gleichen Teilen getragen. Die EDCS-Anleger erhalten regelmäßig einen Jahresbericht mit interessanten Einzelprojektdarstellungen. Außerdem werden alle seit der Gründung der EDCS vergebenen und noch laufenden Kredite detailliert und mit hoher Transparenz verfolgt. Max Deml
Der Autor ist Herausgeber des Branchenfachdienstes Öko-Invest, Schweiztalstr. 8-10/5, A-1130 Wien, Tel. 0043/1/876 05 01.
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