: Billiglöhner wider öffentliche Nutzung
Dunkle Arbeits- und Mietverhältnisse in Langenhorn: Baufirma spielt „Gesellschaft für operative Kunst“gegen polnische Bauarbeiter aus. Düsseldorfer Arbeitsamt ermittelt ■ Von Heike Haarhoff
Die Räumungsklage gegen die „Gesellschaft für operative Kunst“ist immer noch nicht entschieden. Da kam dem Prokuristen der IVG Immobilien GmbH Karl-Dieter Broks eine bessere Idee, wie er den Künstlern Jörg Stange und Udo Herzog das „rechtswidrige“Wohnen und Arbeiten in der ehemaligen Rüstungsfabrik in der Essener Straße 2 in Langenhorn verleiden könne: „Die polnischen Bauarbeiter“, gesteht Broks, „habe ich da nur reingesetzt, um die unberechtigte Nutzung durch die Künstler zu beenden, um also den Raum für die Besetzer kleinzuhalten.“
Das war im Januar. 38 Bauarbeiter aus Danzig mit befristeter Arbeitserlaubnis bezogen einige der spärlich eingerichteten Fabrikräume. Auf einer benachbarten Baustelle der Wedeler Firma Trapp AG ziehen sie seitdem ein Bürogebäude hoch. Und leben nun – entgegen Broks' Intention – in friedlicher Koexistenz mit den Künstlern.
So ging das wochenlang, bis am Sonntag vor einer Woche sieben besoffene junge Männer, wie berichtet, laut grölend und rassistische Sprüche rufend die Fabrik überfielen und teils verwüsteten. Die Schlafräume der Polen, die sie „aufmischen“wollten, erreichten die Randalierer glücklicherweise nicht – Udo Herzogs Hund konnte sie in die Flucht bellen.
Während die Staatsanwaltschaft nun wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ermittelt, leben die Arbeiter mit der Angst vor einer Tatwiederholung. Denn, sagen sie, es gebe nicht genug Schlüssel für die Haustür, so daß diese notgedrungen nachts offenbleibe. Karl-Dieter Broks bestreitet das „entschieden“und weist auch den Vorwurf zurück, sich an der Vermietung der schäbigen Mehrbettzimmer mit Herdplatte statt Küche eine goldene Nase zu verdienen. „Ich kriege da keine Miete für, höchstens eine Pauschale für Strom.“
Einige der Polen dagegen sagen, ihnen würden monatlich bis zu 300 Mark pro Bett direkt vom Gehalt für die Unterbringung abgezogen, „was eindeutig dem Beschäftigungs-Abkommen zwischen Deutschland und Polen widersprechen würde“, teilt das zuständige Landesarbeitsamt Düsseldorf mit. Danach unterliegen polnische Arbeiter deutschen Tarifen.
Die Praxis sieht anders aus: Wenn polnische mit deutschen Unternehmen befristete Werkverträge schlössen, wie im konkreten Fall die Wedeler Firma Trapp mit der Danziger Technobex, sei es „üblich, daß sich die polnische Firma auch um die Unterbringung ihrer Leute kümmert“. Der das sagt, ist Herr Gaede, der Hochbauleiter bei Trapp. Er kennt sich aus: „Ich habe auch schon Leute in dieser Fabrik untergebracht.“Damals aber, da ist er sich ganz sicher, „haben wir auch Miete an die IVG gezahlt“. Ob die Polen überdies „Billiglohnkräfte“seien, wisse er nicht.
Die polnischen Arbeitsverträge geben darüber ebensowenig Aufschluß. Die einzige Verdienstangabe ist eine Summe in Sloty, die die Arbeiter zuvor in Polen erhielten. Wenn aber vom Bauleiter erteilte Aufgaben nicht in der festgesetzten Zeit erledigt werden, werde die Mehrarbeit „nicht als Überstunde berechnet“. Das für Polen zuständige Landesarbeitsamt Düsseldorf will jetzt ermitteln. Viel Zeit bleibt nicht: Ende Mai laufen die Verträge aus. Was dann aus der Fabrik wird, ist unklar: „Ich habe nichts gegen eine öffentliche Nutzung“, beteuert IVG-Prokurist Broks, „aber nicht mit diesen sogenannten Künstlern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen