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Mobile Kaderorganisation

Der Einfluß der „Jungen Nationaldemokraten“ in der rechtsextremen Szene wächst. Ein Verbot würde sie nicht schrecken, nur interne Querelen  ■ Von Paul Harbrecht

In der „Nationaldemokratischen Partei“ zeigt man sich „hochzufrieden“, die Wochenzeitung Junge Freiheit macht eine „euphorische Stimmung“ im rechten Lager aus, und die Deutsche Nationalzeitung jubelt über die „große Volksmenge“, die „für den Ehrenschutz der Wehrmacht und gegen die Verleumdung des deutschen Frontsoldatentums“ auf die Straße gegangen sind. Den Aufmarsch von etwa 5.000 Alt- und Neonazis in München am 1. März werten die Rechten als Beweis ihrer Stärke. Größter Nutznießer sind die „Jungen Nationaldemokraten“, die die Demonstration organisiert hatten.

Die 1967 als Jugendorganisation der NPD gegründete Gruppe spielte lange eine untergeordnete Rolle im rechtsextremen Lager. Ihr Tiefpunkt war 1991 erreicht, als nur 56 Kameraden zum 20. JN- Bundeskongreß nach Frankfurt kamen. Vom „Rockschoß der Mutterpartei“ loszukommen, hieß fortan die Devise im JN-Organ Einheit und Kampf. Man wollte sich künftig als „relativ selbständige Kaderbewegung“ etablieren.

Während andere rechtsextreme Organisationen verboten wurden und deren führende Aktivisten hinter Gitter wanderten, schwang sich die JN mit ihrem nationalrevolutionären Impetus zur führenden Kraft in der Neonazi-Szene auf. Andre Goertz von der „Freiheitlich Deutschen Arbeiterpartei“ und Steffen Hupka von der ebenfalls verbotenen „Nationalistischen Front“ spielten in der JN eine immer größere Rolle. Der in Quedlinburg lebende Hupka, für Schulung und Strategie zuständig, forcierte die Entwicklung zu einer „höchst mobilen autonomen Gruppe von politisch Militanten“. In seinen „Gedanken zur Strategie“ gab er klare Anweisungen für die Zukunft: „Nicht irgendwelche unbekannten Ausländer sollten das Ziel von phantasievollen Aktionen sein, sondern diejenigen, die in Wort und Tat verantwortlich sind für die derzeitige Lage.“

Einzeltäter haben in dieser Strategie der autonomen operierenden Zellen ihren festen Platz. Sie sollten sich aber „von den bekannten rechten Gruppierungen fernhalten, der geringste Kontakt schadet nur“. Um „Rückzugsgebiete für Nationalisten“ zu schaffen, regte Hupka die Bildung von „befreiten Zonen“ an. Regionen also, in denen die JN-Kader sozial fest verankert sind und sich Möglichkeiten schaffen können, über Buchdienste oder Plattenlabel das nötige Kleingeld für die Bewegung aufzutreiben. Das Konzept ging auf. Ob spektakuläre Auftritte bei den Bayreuther Festspielen oder dem „Tag der Heimat“ in Nürnberg, die Demonstrationen in Berlin und Aschaffenburg oder die letztjährigen Rudolf-Heß-Gedenkmärsche – alles lief unter der Regie der JN. Auch in der Mutterpartei gewann die Jugendorganisation an Einfluß. Stolz vermeldet man, daß bereits sechs „Kameraden“ in der Führungsetage der NPD säßen.

Angst vor einem Verbot haben die „Jungen Nationaldemokraten“ nicht. „Wir sind lediglich eine Jugendorganisation der NPD, solange die nicht verboten wird, kann uns nichts passieren“, frohlockt Bundesprecher Klaus Beier. Aufgrund der langen Dauer bis zur Wirksamkeit eines Verbots will auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein die Finger davon lassen (siehe Interview).

Mit dem Aufschwung der JN gewannen aber persönliche Profilierungssüchte und politische Differenzen an Gewicht. So wurde jüngst der JN-Landesverband Hamburg vom Bundesvorstand aufgelöst. Den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andreas Storr sowie den für die Postille Einheit und Kampf zuständigen Jan Zobel enthob man ihrer Ämter. Zobel beklagt, daß innerhalb der JN nun die „Hitleristen“ an Gewicht zugenommen hätten. Ideologisch fühlt er sich eher dem früheren Strasser-Flügel der NSDAP nah, der bislang der JN mit ihrem nationalistisch, antiimperialistischen Kurs („Gegen System und Kapital – unser Kampf ist national“) den Stempel aufgedrückt hatte. Statt Zobel fungiert nun Markus Privenau als presserechtlich Verantwortlicher von Einheit und Kampf. Er war Anfang der 90er Jahre Funktionär der „Hilfsorganisation für nationale poliitsche Gefangene“, einer Gruppierungen, in der alle Fraktionen des bundesdeutschen Neonazismus zusammenarbeiten. Mit Christian Worch und Thomas Wulff, den Führern der verbotenen Hamburger „Nationalen Liste“, hat Privenau auch gleich zwei prominente Autoren gewinnen können. Er will das Blatt mit einer Auflage von 3.000 Exemplaren zum „Sprachrohr des gesamten nationalen Widerstands“.

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