piwik no script img

„Das ist eben so passiert“

■ Malen statt sprechen: Überseemuseum zeigt Werke von jugendlichen Flüchtlingen und MigrantInnen

ote Streifen bilden sich an den Seiten ihrer Wangen. Das bosnische Mädchen Adriana spricht nicht, hört nur zu, was die LehrerInnen von der Berufsschule am Steffensweg in Walle sagen. Munter plappern sie drauf los, erzählen vom Ausstellungsprojekt, das am Montag im Überseemuseum Premiere feiert. Bilder von Flüchtlingskindern werden dort ausgestellt sein, erklärt die eine. „Es geht um Flucht- und Kriegserlebnisse. Und um die Sprachlosigkeit der Jugendlichen“, sagt die andere. „Sag doch mal, wo Du herkommst“, ermuntern sie Adriana. „Aus Bosnien“, antwortet sie knapp. Ganz unmerklich werden die roten Streifen in ihrem Gesicht breiter. Und der junge Angolaner, der neben ihr sitzt, wird unruhig: Er hat ein laufendes Asylverfahren und will lieber „gar nichts sagen“.

Dafür stehen ihre Bilder neben oder hinten ihnen im Raum der Waller Berufsschule. Die rund 40 jungen KünstlerInnen haben sie bereits hinter Glas gelegt und eingerahmt. Rot ist die pralle Sonne auf dem Aquarellbild von Adriana. Ein kitschiger Sonnenuntergang ist es aber nicht. Weiße Flocken liegen da auf einem verschneiten Weg, ein paar Bäume stehen daneben. Eine von der Sonne gefärbte Winterlandschaft. Zu dem Bild kann sie eigentlich nichts sagen, versichert Adriana. Sie liest nur leise ihren Text vor, den sie dazu geschrieben hat. Von „Wärme“und „Zärtlichkeit“ist da die Rede, von „Regen, der alles Schmutzige wegwäscht“und zum guten Schluß herrscht „grenzenlose Leichtigkeit“.

18. Juni. Das ist der Tag, an dem Adriana „zurück muß“, sagt sie auf Nachfrage. Was sie in Bosnien erwartet? „Weiß ich nicht“, sagt sie und sieht nicht glücklich aus dabei. Auf weitere Fragen reagiert sie nicht mehr. „Ich muß zurück in die Klasse, wir schreiben eine Arbeit“.

Berufsvorbereitender Unterricht wird im Steffensweg angeboten. Die Jungen lernen „Metalltechnik“. Die Mädchen „Hauswirtschaft und Verwaltung“. „Wir kommen aus Angola, Kasachstan, Bosnien...“steht auf einem blauen Schild im Schulflur. Das in der Schule ansässige „Zentrum für Schule und Beruf“holt MigrantInnen, Kriegsflüchtlinge und AsylbewerberInnen in die Klassen. Statt auf dem Flüchtlingsschiff herumzugammeln oder zuhause auf das Ergebnis ihres Asylverfahrens zu warten, gehen sie dann in die Schule. „Hier werden sie auf einen Beruf vorbereitet, lernen deutsch und ebnen sich den Weg für eine Arbeitserlaubnis“, erklärt Klassenlehrerin Uschi Isenbeck. „Das oft die einzige Chance, um hier zu bleiben.“

Angekommen ist der 18jährige Avale in Bremen vor einem Jahr. Ob der Somalier hier bleiben darf, ist noch nicht klar. „Bin wegen der schwierigen Politik gekommen, weißt Du“, sagt er nur. Sein Asylantrag läuft noch. Der junge Angolaner neben ihm hat gerade eine Ablehnung bekommen. Er beobachtet die anwesende Presse deshalb kritisch – und schweigt zu seiner Herkunft und seinem Namen. Die beiden haben gemeinsam ein Bild gemalt. Ein Schiff steht da im Schilf. „Warum zusammen und warum ein Schiff? Das ist einfach so passiert,“erzählen sie erst ernst, um dann verschmitzt loszulachen.

Tränen und Zusammenbrüche hätte es dagegen früher gegeben, erinnert sich Klassenlehrerin Christine Cordes. „Da haben wir schonmal mit den SchülerInnen gemalt. Plötzlich sind Erinnerungen hochkommen. Da sind viele SchülerInnen am nächsten Tag nicht mehr zur Schule gekommen“, erzählt sie. Jetzt sei aber Kunsttherapeutin Djorna Biswas dabei. „Altes Aufwühlen will ich nicht. Ich will die Jugendlichen stabilisieren. Sie können mit mir über ihre Bilder reden“, sagt die Therapeutin zu dem Projekt, das von der Bildungsbehörde finanziert wird.

„Sich isoliert fühlen“und „irgendwie fremd sein“, all diese Wörter werden bei der Ausstellungseröffnung nur LehrerInnen in den Mund nehmen. Sie werden erzählen, daß das Projekt nötig ist. Daß die Jugendlichen Schlimmes erlebt haben, ohne jemals richtig darüber gesprochen zu haben. Die 18jährige Adriana will nur ihren Text aufsagen – und ihr Bild zeigen. kat

Die Austellungseröffnung findet am Montag um 19 Uhr im Überseemuseum statt. Die Ausstellung ist bis zum 20. Mai zu sehen. Hans Koschnick ist Schirmherr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen