Wir lassen hören: Tor für Nürnberg!
■ Der „unsterbliche“ Radioreporter: Greatest Hits von Günther Koch
Ein unvergessener Satz:
Tor in Nürnberg!
Gut. Aber besser, viel besser: Tor für Nürnberg!
Ja, das ist der Satz, der bleiben wird dereinst von Günther Koch, dessen Radioreportagen den 1. Fußball Club Nürnberg über knapp zwei Jahrzehnte nicht bloß begleitet haben – sondern definiert.
„Mitunter parteiisch und doch kritisch“, nennt das freundlich der Frankfurter Autor Jürgen Roth, der eine CD zusammengestellt hat mit den Greatest Hits des „unsterblichen Sportreporters des Bayerischen Rundfunks, der dem unaufhaltsamen Niedergang des Fußballs wunderbar wohltönend entgegenstürmt“ (Uta- Maria Heim).
Daß der Lehrer Koch der beste Fußballreporter deutscher Zunge sei, gilt draußen auf halblinks bis links als gesichertes Wissen. Vermuten darf man, daß er das kann und ist, was der Kollege Hansch immer nur angetäuscht hat: einer, der das Spiel nicht bloß liebt, sondern versteht – und die gesprochene Sprache beherrscht. Kein Zoten- und Quotenhanswurst ist er, dafür ein witziger, phantasiebegabter, innovativer Bursche. Einer, der die ganz große Karriere genausowenig gemacht hat wie der Club, der ihn bewegt. Günther KochFoto: Booklet
Beim Bayerischen Rundfunk paßten die Bayern-Anhänger Hartmann und Rubenbauer auf – und ins Fernsehen paßte Koch nicht, wie seine Zeit beim DSF bewies. Kochs Stärke, das Kitzeln der Phantasie, wird vom Medium Fernsehen neutralisiert.
Alles begann 1977 beim Spiel Bayern Hof–FC Augsburg mit einer einer „herrlichen Bogenkopflampe, wenn ich so sagen darf“. Er durfte – und noch viel mehr. Koch täuschte nie den distanzierten Journalisten an, er sprach seine Gefühle beim Erleben des Spiels aus. Etwa so: „Nowak, schieß doch mal endlich! Hau drauf! Schuß! Tor!“ Hau doch mal drauf! Koch liebt diesen Satz. Auch hat keiner das fade Wort Babbel so bedeutungsschwanger ausgesprochen. Bitte hinhören: „Babbel, Baabbel, Babbeell, Babbeell!“
Beim Anhören der CD wird auch bitter deutlich, was der 1. FC Nürnberg Ende der 80er für ein Team hatte. Da schlenzt der Dorfner Hansi ein bisserl vom Tor weg zum Eckstein. Der zu Grahammer, zu Schwabl, Reuter, Köpke.
Nun könnte natürlich einer mit gewissem Recht fragen, welcher halbwegs Normale sich 75 Minuten Exzerpte aus Fußballreportagen anhören wolle und könne. Dem könnte man mit Koch antworten: Ja gibt's denn so was? Und mit gewissem Recht: Wieso halbwegs normal? Fußball. Koch, sagt selbst die nun wirklich nüchterne Woche begeistert, sei ein „Irrer, ein Wahnsinniger“. Hören wir in Kochs Interview mit einem Jugendnationalspieler:
Koch: Lothar Matthäus, als Jugendnationalspieler ist man doch sicher ziemlich verwöhnt.
Matthäus: Nee, wieso? Do iss man so, wie man immer iss.
1979 wurde dieses großartige Gespräch geführt, bei Lothar seinen Eltern zu Hause in Herzogenaurach. Der junge Mann war eben auf dem Sprung aus dem erlernten Beruf in die Bundesliga. Was Koch zu dem Satz motivierte: „Sie sind Raumausstatter – und werden dann praktisch Strafraumausstatter.“
Ja gibt's denn so was? Wie hat es Koch im Mai 1996 in der taz formuliert? „Noch fünf Sekunden, hab' fünf oder acht Informationen im Kopf, noch zwei Sekunden – und dann lass' ich's laufen. Dann geh' ich drauf. Und dann ist alles volles Risiko.“ Wenn es einen wirklich triftigen Grund geben sollte, warum der 1. FC Nürnberg zügig durch die 2. in die 1. Liga marschieren muß, dann den, daß dieser Mann von der schrecklichen Strafe erlöst werde, im fernen München die ungeliebten Bayern zu kommentieren. Und wenn es denn doch einmal sein muß, so möge er seinen Satz hinausjubilieren dürfen: „Tor für Nürnberg.“ Peter Unfried
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