: Eine neue Dimension bei altem Nullwachstum
■ Wirtschaft und Medien reagieren träge auf neue Frauenfußball-Bundesliga
Frankfurt/Main (taz) – Siegfried Dietrich wird nicht müde zu versichern, es handele sich um eine „neue Dimension“. Andere sagen: eine neue Ära. Jedenfalls startet am Sonntag die neue Frauen-Bundesliga in ihre erste Saison. Aus zwei Zehnerstaffeln ist eine bundesweite Liga mit zwölf Teams geworden. Dietrich, Manager der SG Praunheim aus Frankfurt, ist einer von zwei erstmals gewählten Ligasprechern, die die Postition der Vereine gegenüber dem DFB künftig stärken wollen. Um was für eine Dimension es sich handelt, wird man sehen müssen. Klar ist aber, daß mit der einen Liga eine Konzentration der Kräfte einhergeht, da sich die qualifizierten bei den acht durchs Raster gefallenenen Teams bedient haben.
Mit einem Turnier aller zwölf Teams am letzten Wochenende in Frankfurt (Hermes-Cup) wurde das neue Produkt auf dem Markt präsentiert. Rund 2.500 Fans, die trotz brütender Hitze nicht ins benachbarte Freibad gingen, stellten fest, daß die vermeintlich grauen Mäuse an Farbe gewonnen haben. Soll heißen: Es gibt keine Teams mehr, die Spielerinnen durchschleppen müssen. Die Qualität ist deutlich gestiegen. Weil jede jeder ein Bein stellen kann, gibt es kaum mehr Favoritinnen: Ehrgeiz und Einsatz steigen. Beleg: Meisterin und DFB-Pokalsiegerin GW Brauweiler überstand die Vorrunde nicht. Der hochgehandelte FSV Frankfurt strauchelte früh. Siegerin SG Praunheim brauchte im Halbfinale gegen SF Siegen und im Endspiel gegen die überraschend starken TuS Niederkirchen das Elfmeterschießen.
„Spiele, die man mit 50 Prozent gewinnen kann, gibt es nicht mehr“, hat DFB-Rekordspielerin Silvia Neid, inzwischen DFB-Trainerin, festgestellt. Bei den Spitzenspielerinnen habe sich in den letzten Jahren aufgrund inhomogener Teams Leistungsstagnation ergeben. Die Neuformierung, hofft Neid, komme wenige Wochen nach dem neuerlichen EM-Sieg von Oslo gerade recht, um einerseits den Aufwärtstrend zu nutzen und andererseits das mittelfristige Konzept eines Etablierens in die absolute Weltspitze zu stärken.
DFB-Frauenreferentin Hannelore Ratzeburg gibt zu, daß die neue Liga noch nicht ausgereift sei, und will deshalb „die Saison spielen und genau beobachten, wo es kneift“. Wichtig sei, „daß die Vereine nicht versuchen, sich noch mehr Topleute abzujagen, sondern sich darauf konzentrieren, ihr attraktives Angebot besser darzustellen und zu vermarkten“.
Dem größten Teamsport für Frauen fehlt immer noch der Durchbruch. Trotz erheblicher Zuwachsraten – der DFB hat mittlerweile 772.377 weibliche Mitglieder – reagieren Medien und Wirtschaft noch träge. „Frauenfußball ist in der Wirtschaft noch keine Wachstumsbranche, aber eine Branche mit vielen bisher ungenutzten und unentdeckten Bereichen“, glaubt Praunheims Manager Dietrich. Helmar Herbig, Marketingchef des Pharma- und Vitaminherstellers, der Hermes-Cup und die Wahl zur Fußballerin des Jahres ermöglicht, sagt: „Wir können unsere Produkte gut im Frauenfußball als aufstrebendem Sport wiederfinden.“ Diese Meinung hat er allerdings noch weitgehend exklusiv. Die Realität sind Teams ohne Trikotsponsor, unter anderen selbst der Doublegewinner aus Brauweiler. Auf der Suche nach einem Titelsponsor und zentraler Vermarktung ist auch der DFB zunächst gescheitert. Allerdings war es auch reichlich verwegen, sich erst in diesem Winter mit einem Angebotspaket auf die Suche zu machen. Immerhin legt man bei den Fernsehgeldern zu: 400.000 Mark werden jetzt nicht mehr durch 20, sondern durch 12 geteilt.
Die Medien, verspricht Nationalkapitän Martin Voss (FC Rumeln) frohgemut, dürften sich „auf attraktiven Frauenfußball freuen“. Die Freude hat sich bisher allerdings in Grenzen gehalten, die Übertragungszeiten von Ligaspielen auch. Und was die Mehreinnahmen betrifft: Die Verdreifachung der Schiedsrichterkosten frißt diesen Gewinn fast wieder auf. Rainer Hennies
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