: SPD-Juristen hadern mit Großem Lauschangriff
■ SPD-Gruppe: Kompromiß mit der Koalition verstößt gegen Parteitagsbeschluß
Bonn (dpa/taz) – In der SPD regt sich zunehemend Widerstand gegen einen Kompromißvorschlag zum Großen Lauschangriff, den eine Parteikommission unter Otto Schily mit der Koalition ausgehandelt hat.
Der Entwurf zur Änderung von Grundgesetzartikel 13 mißachte „Kardinalforderungen“ des Wiesbadener SPD-Parteitags vom November 1993, kritisierten unisono der Bundestagsabgeordnete Hermann Bachmaier, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ), Klaus Hahnzog, und Bundesrichter Armin Nack gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Bonn. Die Parteitagsdelegierten hätten damals „nur mit knappster Mehrheit“ für die Einführung des Lauschangriffs votiert und ihre Zustimmung von Bedingungen wie strengen rechtsstaatlichen Grenzen der Wohnraumüberwachung abhängig gemacht. Der Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping habe versprochen, persönlich für die SPD-Position einstehen zu wollen, die der Parteirat – auch Parteichef Oskar Lafontaine – am 16. Juni dieses Jahres noch einmal bestätigt habe.
Von den Kernpunkten sei aber in dem Entwurf kaum etwas zu finden, sagte Bachmaier: Der Vorschlag lasse den Behörden einen zu weiten Handlungsspielraum. Er greife unzulässig tief in die Privatsphäre auch unverdächtiger Personen ein und gebe Justiz und Parlamenten keine ausreichende Kontrolle. Außerdem fehle die von der SPD unabdingbar geforderte Verschärfung der Geldwäsche-Vorschriften.
Die Kommission, deren SPD- Verhandlungsführer der stellvertretende Fraktionschef Otto Schily ist, will am Donnerstag kommender Woche erneut in Bonn tagen. Unionspolitiker haben mehrfach erklärt, die Gespräche stünden kurz vor dem Abschluß, weil sich die Experten beider Seiten in den maßgeblichen Punkten weitgehend einig seien. Bachmaier, Hahnzog und Nack forderten jedoch, das bisherige Ergebnis müsse nachverhandelt werden und dürfe in der bisherigen Form weder vom Präsidium noch vom Vorstand oder SPD-Fraktion abgesegnet werden. Notfalls müsse ein Sonderparteitag entscheiden.
Der Grünen-Innenpolitiker Manfred Such begrüßte die Initiative der SPD-Politiker gegen ein „Umkippen“ ihrer Partei- und Fraktionsspitze beim Lauschangriff.
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