■ Internationale Aufregung um Tietmeyers Euro-Äußerung: Viel Rauch um nichts
Was hat der Mann eigentlich gesagt? Daß er sich nicht äußert. Das ist ja auch sehr weise und dem Amt angemessen. Hans Tietmeyer, Präsident der Deutschen Bundesbank, möchte sich sieben Monate vor der Konferenz der europäischen Staats- und Regierungschefs nicht über eine mögliche Verschiebung der Währungsunion äußern. Denn erst die politischen Häupter werden im Frühjahr 1998 über die Teilnehmerstaaten an der Währungsunion befinden. Tietmeyer weist in der Woche sogar ausdrücklich darauf hin, daß der Euro eine politische Entscheidung ist. Bedauerlicherweise ohne die – ansonsten nur von der europäischen Linken eingeforderten – Steuer- und vor allem die Sozialunion.
Die Hamburger Wochenzeitung hat allerdings geschickt den einzigen Sprengsatz aus dem umfänglichen Interview herausgefiltert: Tietmeyer könne dem Argument nicht folgen, „wonach im Falle einer Verschiebung des Euro der europäische Himmel einstürzen oder die Wirtschaft aus den Fugen geraten würde“. Mit dieser Meinung steht Tietmeyer nun wahrlich nicht allein da. Ob die Einschätzung plausibel sein mag, ist eine andere, eher akademisch zu entscheidende Frage. Grundsätzlich aber ist sie richtig: Das Leben geht auch ohne Euro in Europa weiter. Aber wie dankbar haben Politiker aller Parteien diese Äußerungen des wortkargen obersten Währungshüters aufgenommen. Aus München und Paris, Brüssel und Bonn schickten sie eiligst ihre Depeschen in die Welt. Und jeder einzelne, ob Staatschef oder Parteisekretär, blieb genau wie Tietmeyer bei dem, was er sowieso schon immer gesagt hat.
Langsam werden die politisch Verantwortlichen also nervös. Die unselige, von Finanzminister Theo Waigel losgetretene Diskussion um 3 oder 3,0 Prozent hatten sie gerade einigermaßen hinter sich gebracht. Und nun ein Scheingefecht über die Verschiebung.
Mal davon abgesehen, daß aufgeschoben nicht aufgehoben ist, bietet sich doch jetzt mal die Chance, ein für allemal Ruhe in die Parteien zu bekommen. Die Landesverwalter Stoiber, Schröder und Voscherau motzen hingegen über den Euro, wobei ihre Motive so durchsichtig wie kleinkariert sind. Sie haben nun mal zu der Entscheidung im kommenden Frühjahr nichts zu sagen. Das ärgert. Und sie wollen Wahlen in ihren Provinzen gewinnen. Das spornt an. Da kommen die in der Woche zielsicher plazierten Überlegungen Tietmeyers gerade recht. Ulrike Fokken
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen