: Bespielbarkeit der Hüllen für die Kunst
■ Vier Architekten stellen beim Hamburger Architektur Sommer in der Kunsthalle ihre Museumsbauten vor
Eine Art Gipfeltreffen der deutschen Architektur fand am Wochenende in der Kunsthalle statt, als Axel Schultes, Peter P. Schweger, Joseph Paul Kleihues und Oswald Mathias Ungers ihre Museumsbauten vorstellten. Anschließend berichteten die Direktoren der vier Museen in Bonn, Wolfsburg, Chicago und Hamburg über ihre Erfahrungen mit der Nutzung dieser Bauten. So traf sich die gelehrte Herleitung von Architekturmotiven mit praktischen Gesichtspunkten der Bespielbarkeit dieser Hüllen für die Kunst.
In unterschiedlichen Graden der Rigidität ist das Quadrat für alle vier Entwürfe grundlegendes Modul. Der Dortmunder Architekt Kleihues betont, daß alles nur aus einem festen Regelsystem entstehen kann. Ein Museum als Marktplatz zu verstehen, wie es das Wolfsburger Kunstmuseum mit seiner ausdrücklich theatralischen Inszenierung als veränderbare offene Großhalle beansprucht, sei eine erschreckende Aneignungspolitik und bloß „gebaute antiautoritäre Erziehung“. Zu seinem Museum of Contemporary Art in Chicago muß eine breite Freitreppe hinaufgestiegen werden – ein aus der Antike stammendes Würdemotiv.
Solch ein traditionelles Verständnis einer Architektur wird aber von Ungers noch weit übertroffen. Seine Hingabe an das Quadrat wurde durch die launige Art seines fast 100minütigen Vortrags nicht ironisiert, sondern selbstverliebt gesteigert. So richtig seine These der Unterordnung der Architektur unter die Kunst auch ist, und so sehr dies in manchen Details der Galerie der Gegenwart auch gelungen ist, so absolut ist sein Anspruch auf Erhabenheit und Ewigkeit. „Wir bauen für die Zeit, andere bauen für den Zeitgeist.“Erneut leitet Unger die Kunstbastion aus dem Geist der Revolutionsarchitektur ab und wischt jede Kritik vom Tisch. Ausdrücklich feiert er den umstrittenen Platz zwischen Alt- und Neubau als „sublimen Erlebnisraum“und als „größte Skulptur nördlich der Alpen“. Es scheint an der Zeit, die gegebenen Qualitäten der Galerie der Gegenwart gegen die Exaltiertheiten ihres Urhebers in Schutz zu nehmen, der einfach nicht einsehen will, daß es sein absoluter Anspruch ist, der Unstimmigkeiten erst zu gewichtiger Kritik macht.
Wo schon Architektur und Kunst nicht problemlos miteinander auskommen, ist der Bezug zum Stadtraum noch schwieriger. Der Berliner Architekt Axel Schultes beklagte den „Aufstand der Solitäre“, die mit Wirkungen spielen und den städtischen Raum nicht neu erschließen, sondern seinen Verlust noch vorantreiben. Und nicht einmal die kommunalen Auftraggeber sind in der Lage, die aufwendigen Pläne für die Umgebung der Bauten zu realisieren.
In der Zusammenschau fasziniert die Summe der Möglichkeiten mehr als die einzelnen Gebäude. Der Kunst fällt es nicht schwer, sich auf die jeweiligen Gegebenheiten einzustellen. Zur Not bauen ganze Wandsysteme neue Räumlichkeiten auch gegen die Architekturhülle ein. Hajo Schiff
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