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■ Kriminalität: Kanther will kommunale SicherheitsnetzeVom Hardliner zum Weichei?

„Herrn Kanthers Einsicht, daß er mit seinem Sicherheitsmodell für deutsche Großstädte wohl noch nicht den Stein der Weisen gefunden habe, gebührt Anerkennung“ – so begann meine vorgestrige Würdigung des von Kanther geforderten „Sicherheitsnetzes“ aus Polizei, städtischen Behörden und Bürgern, die manche Medien etwas vorschnell als „grünes Lob“ für Kanther interpretierten. Doch in der Tat: Kanther – von der Opposition beständig als Hardliner apostrophiert, von den eigenen Leuten inzwischen als „Weichei“ bespöttelt – hat darauf verzichtet, in einer Zeit des „populistischen Schröderns“ einmal mehr plakative Sicherheitskonzepte zu liefern.

Der Minister weist zutreffend auf folgendes hin: Viele BürgerInnen stören sich an Anzeichen von Unordnung und sehen sich als potentielles Opfer zunehmender Kriminalität. Diese Ängste mögen politisch und medial geschürt, durch gesellschaftlichen Wandel mitbegründet sowie in einem der weltweit sichersten Staaten besonders unrealistisch sein – gleichwohl müssen sie ernst genommen werden. Wenn ältere Menschen sich nicht mehr vor die Tür trauen, Kinder sich nur noch bewaffnet in die Schule wagen oder selbst „duldsame Linke“ Dealer von Spielplätzen vertreiben, sind das Alarmsignale. Doch dagegen kann nicht jedes schnelle Rezept recht sein. Um die empfundene wie die reale Sicherheit wirklich zu steigern, nützen den BürgerInnen keine effekthaschenden symbolischen Gesten. Mittelfristig wirksam ist nur das geduldige Beharren auf differenzierten, an den Ursachen von Kriminalität ansetzenden Konzepten.

Die BürgerInnen müssen selbst wieder größere Verantwortung für soziale Defizite in ihrem Umfeld, Solidarität in der Nachbarschaft und eine couragierte zivile Konfliktbewältigung übernehmen, ohne in Bürgerwehr-Ansätze zu verfallen. In örtlichen Präventionsräten haben auch die beteiligten Ordnungsbehörden, Verbände, Geschäftsleute usw. ihre Aufgabe – derartige Formen von „Sicherheitsnetzen“ werden bereits praktiziert und sind auszubauen.

Insoweit sind Kanthers Anregungen nicht neu. In eine falsche Richtung weist jedoch die Idee, derlei Kooperation ähnlich wie in New York Polizei und Strafverfolgung unterzuordnen. Die zweifelhaften Auswirkungen – Verdrängungseffekte gegen Randgruppen und repressive Begleiterscheinungen – lassen New York wahrlich nicht als Modell erscheinen. Fakt ist: In München oder Köln lebt man fünfmal sicherer als dort. Manfred Such

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