: Zur Hölle mit dem Hemd
Öl-Multi Shell klagt satirische „Hell“-T-Shirts vom Markt. Oberlandesgericht: Künstlerische Freiheit ist unkommerziell ■ Von Heike Haarhoff
Die künstlerische Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Die beginnen im allgemeinen da, entschied gestern das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG), wo Kunst kommerziell motiviert ist. Und im konkreten Fall im Sommer 1995: Auf dem Höhepunkt der Greenpeace-Kampagne gegen die geplante Versenkung der Shell-Bohrinsel Brent Spar kreiert der Kölner Medienkünstler Paul Kalkbrenner ein satirisches T-Shirt. Auf gelbem Stoff prangt dort eine rote und zu einem Totenkopf verfremdete Shell-Muschel mit der Unterschrift „hell“. Seit gestern ist das Hemd vom Markt verbannt.
Er habe damit nur seine „Meinung über die verschiedenen von Shell verursachten Umweltskandale ausdrücken“wollen, protestiert Kalkbrenner. „Eine Verunglimpfung der Firma“erkannte dagegen die Deutsche Shell AG mit Sitz in Hamburg und klagte – durch alle Instanzen und gestern erfolgreich vor dem OLG: Die Richter des 3. Zivilsenats untersagten Kalkbrenner, das T-Shirt weiterhin herzustellen oder zu vermarkten. Auch „bewerben“darf der Chef der Firma Abgang! Agentur für Kommunikation sein Produkt nicht mehr.
Warum bloß? fragt sich Kalk–brenner. Die taz hatte das T-Shirt 1995 per Preisausschreiben verlost, und auch sonst verkaufte sich das Motto „Shell to hell“tausendfach. Doch genau hier liegt der Knackpunkt, befand das Gericht. Und folgte damit weitestgehend den Argumenten der Richter aus erster Instanz: Die hatten das bedruckte Hemd bereits im September 1996 aus „markt- und wettbewerbsrechtlichen Gründen“verboten. Kalkbrenner habe sich durch das verfremdete Shell-Logo zu Unrecht den guten Ruf des Öl-Konzerns für seine eigenen wirtschaftlichen Zwecke zunutze gemacht.
„Der Vertrieb des T-Shirts muß nicht hingenommen werden, wenn er kommerziell motiviert ist“, faßte OLG-Sprecherin Petra Schaps-Hardt gestern zusammen. Aber, schränkte sie ein: „Als Künstler hätte er wahrscheinlich gedurft.“
Denn dann hätte er mit seinem Protest, wie Greenpeace, keinen Profit gemacht. Folglich hätte er sich auf sein Recht auf Meinungsfreiheit berufen können. Kalkbrenners Anwalt Martin Hack bleibt da nur Kopfschütteln: Auch Zeitungen seien zweifellos Meinungsträger – obwohl auch sie verkauft werden.
Kalkbrenner kann jetzt noch in Revision vor dem Bundesgerichtshof gehen. „Erstmal“, sagt sein Anwalt, „warten wir die schriftliche Urteilsbegründung ab.“Denn der Prozeß hat das Portemonnaie des Künstlers arg strapaziert: Bei einem Streitwert von 100.000 Mark liegen die Kosten für ihn schon jetzt bei 40.000 Mark.
Protestieren hat das Gericht nicht verboten. „Nigeria – an Shell-Öl klebt Blut“: Demo morgen, 13 Uhr ab Dammtor.
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