■ Querspalte: Wider das Vergessen
Gewichtige Worte sind im Laufe der Jahrhunderte gefallen. Zum Beispiel „Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer...“ Überliefert sind sie nur dank unermüdlicher Chronisten, die die Worte der Führungspersönlichkeiten festhielten. Aber wie viele Reden, Sprüche, Bonmots und Allegorien sind der Nachwelt für immer entgangen, nur weil sie niemand aufgeschrieben hat? Wie sähe es um unser Verständnis vom Lauf der Weltendinge aus, wären auch die Latrinengespräche der Germanen überliefert. Historiker ahnen das. Aber was sollen sie machen? Sie sind auf die Quellenlage angewiesen. Also arbeiten sie in Archiven Seite für Seite Loseblattsammlungen und schwer entzifferbare Dokumente durch. Deshalb wissen sie es zu schätzen, wenn die Worte wichtiger Menschen von diesen selbst, möglichst noch zu Lebzeiten, herausgegeben werden. Das Informationsamt der Bundesregierung hat nun den zweiten Teil der gesammelten Reden von Helmut Kohl editiert. Die „Bilanzen und Perspektiven“ umfassen die Jahre 1992 bis 1996 und schließen somit nahtlos an den schon Anfang der neunziger Jahre herausgegebenen ersten Band an. „Menschliche Größe und unvergleichliche Würde gewinnt Widerstand vor allem dort, wo er als freie Entscheidung ein Aufstand des Gewissens ist.“ Das hat der Kanzler nicht etwa über den Widerstand gegen Castor-Transporte ins Wendland gesagt, sondern über die Offiziere des 20. Juli 1944. Ist aber ein schöner Satz und in gewissem Sinne auch von ewiger Wahrheit. Auch das „Indonesien eines der bevölkerungsreichsten Länder der Welt“ und eine „große asiatische Kulturnation“ ist, wird Bestand haben.
10.000mal hat die Bunderegierung das 587-Seiten-Konvolut drucken lassen. Die 100.000 Mark dafür kamen aus dem Etat für Öffentlichkeitsarbeit. Aber auch dem Kanzler dämmert, daß die Zeit zur Vervollkommnung der historischen Sammlung drängt. Zur Zeit sichten seine Archivare die Manuskripte des Jahres 1997. Sie werden in den nächsten Monaten als Einjahresband herauskommen. Ulrike Fokken
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