: „Ich hätte auch zugebissen“
■ Dackel gegen Kampfhund: Vor dem Blankeneser Amtsgericht verteidigt Frauchen die Ehre ihres bissigen Hundes
Der Dackel war schuld. „Stoffel“, das ist eigentlich nur sein Spitzname. Genannt wird er aber immer so, denn seinen eigentlichen Namen kann Herrchen Sieghard S. nicht aussprechen, „der ist englisch und so lang“. Jedenfalls also soll der Dackel selbst daran schuld sein, daß er von Pitbullterrier „Gismo“fast totgebissen wurde. Warum hat er auch gekläfft? Ein Jahr später, die Wunden sind verheilt, die Tierarztrechnung beglichen, schüttelt Ingrid B. immer noch verständnislos den Kopf darüber, daß sie sich auf der Anklagebank des Blankeneser Amtsgerichtes wiederfindet. Wo doch nicht sie, sondern ihr Hund zugebissen hat. Und das auch nur, weil der Dackel so „hysterisch“bellte! Dennoch oder gerade deswegen verläßt sie den Gerichtssaal mit einer Geldstrafe von 600 Mark wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Dem Prozeß zugrunde liegt eine Frage der Ehre. Muß ein Kampfhund es sich bieten lassen, daß ein einjähriger Schoßkriecher sich ihm nicht unterwirft? Für Ingrid B. ist die Antwort eindeutig: „Ich bin kein Hund“, stellt sie vorweg klar, „aber wenn, ich hätte den Dackel auch gebissen.“Schon oft habe „der Gismo“sich anderen Hunden gegenüber in Kampfesstellung gebracht, und die anderen hätten sich dann stets brav vom Acker gemacht. Nicht so „Stoffel“. Der habe einfach gebellt, „das war abartig“. Und sie fügt hinzu: „Ich konnte mir schon denken, daß Gismo gleich auf den Dackel losgeht.“
Da Tiere im deutschen Recht weder Straftäter sein können noch als Opfer in Frage kommen, hat sich Frauchen Ingrid B. die Verurteilung wegen „Körperverletzung“nicht durch die Verletzungen von „Stoffel“eingehandelt, sondern durch die Bißwunden, die dessen Herrchen Sieghard S. davontrug. Der nämlich wollte das Leben seines Dackels retten, nahm diesen auf den Arm und wurde mit Bissen in die Wade und den Oberarm abgestraft. Danach erst erwischte Kampfhund „Gismo“– „für mich ein Schmuse-Tier“, so sein Frauchen – den Dackel, in dessen Hals er sich verbiß. Selbst Schmusefreundin Ingrid B., die inzwischen doch ihrem Hund hinterhergeeilt war, vermochte dessen Zähne nicht aus „Stoffels“Hals zu entfernen. Glück für den Dackel, daß dieser in Blankenese und damit in einer ordentlichen Wohngegend aufwuchs. Gegenüber wusch nämlich gerade jemand sein Auto, hatte deshalb einen Eimer Seifenlauge parat, schüttete diese kurzerhand über „Gismo“aus und rettete damit „Stoffel“das Leben. Da jedoch auch auf Autowäscher nicht immer und überall Verlaß ist, muß Ingrid B. ihren Kampfhund künftig stets an der Leine halten. Elke Spanner
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