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Vier Fäuste für einen Rau

Die SPD in Nordrhein-Westfalen feiert sich selbst: Das Führungsduo Clement und Müntefering löst Johannes Rau ab  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Schon vor der Toren der Düsseldorfer Stadthalle mußte Johannes Rau am Samstag Hunderten von Sozis die Hand schütteln. Aus den umliegenden SPD-Ortsvereinen waren sie gekommen, um ihrem Parteichef und „Landesvater“ mit einem 150 Meter langen Transparent zu danken und ihm zu sagen, daß er den Spaß an der Politik „noch lange, lange Jahre“ nicht verlieren möge. Dazu paßten die buttons „Johannes Rau for president“, die einige gewiß nicht zufällig in die zahlreichen Kameras hielten. Eine Auftakt ganz im Sinne des 67jährigen Rau, der noch längst nicht daran denkt, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Drinnen im Saal intonierte wenig später auch Parteichef Oskar Lafontaine das Lied vom Übergang, nicht vom Abschied, „denn wir sind weiter auf dich und deine Arbeit angewiesen“. Ob dazu auch die von Rau angestrebte Kandidatur für das Bundespräsidentenamt zählt, ließ Lafontaine aber offen.

Mit einem solchen „Geschenk“ könne er „nicht aufwarten“, weil darüber erst nach der Bundestagswahl entschieden werden könne, wenn die Zusammensetzung der Bundesversammlung klar sei, sagte Lafontaine zu seinem Stellvertreter. Ähnlich unverbindlich klang am Sonntag Gerhard Schröder. Der SPD-Kanzlerkandidat beließ es mit Blick auf Rau bei der Formulierung, man habe „miteinander noch viel vor“.

Sichtlich bewegt hatte Rau am Samstag zusammen mit den 319 Delegierten und rund 1.000 Parteitagsgästen einen Film auf einer Großleinwand verfolgt, der wichtige Stationen seines politischen Lebens einspielte. Der Abschied vom Amt des Ministerpräsidenten falle ihm nach 236 Monaten „schon schwer“, räumte der Vielgelobte in seiner umjubelten Rede ein. Dabei übertrafen die Delegierten mit 11 Minuten Standing ovations noch den Bremer Jubelrekord für Kanzler Helmut Kohl. Dieser Tag sei für ihn „ein tiefer Einschnitt“, sagte Rau, doch er sei sich „sicher“, daß die nordrhein-westfälische SPD mit ihrem neuen Führungsduo ihre „Erfolgsgesichte fortsetzen“ könne.

Daß das Land Nordrhein-Westfalen ohne Rau für den Kölner Kabarettisten Jürgen Becker „nicht mehr Nordrhein-Westfalen ist“, hat er nur zu „gern gehört“. Sichtlich gerührt nahm er auch Lafontaines Lob auf, er habe dem Bindestrichland einen „eigenen Ausdruck, eine eigene Identität gegeben“. Das kam dem schon sehr nahe, wie Rau sich selbst sieht. Spät am Samstag abend „gratulierte“ Beckers Kleinkunstkollege Hans-Dieter Hüsch dann seinem persönlichen Freund vor gut 2.000 Gästen auf der „Danke“-Fete zu „deiner neuen Freiheit“.

Tatsächlich hätte Rau darauf gern noch ein paar weitere Monate verzichtet. Doch nach dem Wahlsieg von Gerhard Schröder in Hannover war auch nach Auffassung von Raus engen politischen Freunden der Wechsel in Nordrhein- Westfalen fällig, um noch einmal neuen Schwung für die Bundestagswahl auszulösen. Eine Sprachregelung, die Rau indes gar nicht behagt. „Eigentlich“, so gestand er noch kurz vor dem Parteitag in einem Zeitungsinterview, sei „es ja nicht einzusehen, warum einer, der zwanzig Jahre lang Wahlergebnisse erzielt hat, um die uns die meisten beneiden, durch seinen Rücktritt plötzlich für mehr Schwung sorgen soll“.

Tatsächlich wurde der Stabwechsel „in dem gut bestellten Haus NRW“ (Lafontaine) mit Raus Zutun am Sonntag dann aber doch „ohne Stolpern und mit Bedacht“, so die stellvertretende Vorsitzende Gaby Behler, über die Bühne gebracht. Mit einem Traumergebnis von 98,7 Prozent kürten die Delegtierten Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering zum neuen Parteichef.

In seiner Bewerbungsrede appellierte Müntefering an seine Partei, sofort zur Geschlossenheit zurückzukehren und das bisweilen „hinterhältige“ Gerede der vergangenen Wochen einzustellen. Es gehe jetzt darum alle Kräfte auf den Wahlkampf zu konzentrieren, denn „wir wollen den Machtwechsel, damit ein Politikwechsel möglich wird“.

Für Wolfgang Clement, dem Kandidaten für den Ministerpräsidententhron, fiel die Unterstützung des Parteitages mit den 89,7 Prozent zwar deutlich schwächer aus, aber mit dem Ergebnis kann der 57jährige, der sich nun am Mittwoch im Parlament zur Wahl stellen wird, gut leben. Er nehme die „Wahl mit großer Freude an“, sagte Clement, und diese Freude stand ihm ins Gesicht geschrieben. Als die Hauptaufgabe seiner künftigen Regierungsarbeit bezeichnete Clement die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: „Diesem Ziel muß sich alles andere unterordnen.“ Wie Müntefering legte auch Clement auf dem Sonderparteitag ein Bekenntnis zur Fortsetzung der rot-grünen Koalition ab, die er „offen, fair, aufgaben- und ergebnisorientiert“ führen will. Schröder, der in Düsseldorf erneut die Neuauflage des Bündnisses für Arbeit als einen zentralen Punkt einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung bezeichnete, sieht nach dem Parteitag in Düsseldorf die Chancen für einen Sieg im Spetember „noch einmal verbessert“. Das ist genau die Botschaft, die hinter der gesamten Parteitagsregie stand.

Wie das neue Duo in Nordrhein-Westfalen künftig zu agieren gedenkt, suchte Clement mit einer Anleihe aus der Filmwelt deutlich zu machen. Er habe lange über einen passenden Filmtitel für die Zusammenarbeit gebrütet, sagte Clement zu Müntefering. Zuerst habe er an „Schau mir in die Augen, du Sauerländer“ gedacht, doch dann fand er den alten Westernhit „Vier Fäuste für ein Halleluja“ viel passender. Daß künftig in Nordrhein- Westfalen die Sozifäuste filmreif fliegen, das ist nicht gerade zu erwarten. Doch ein wenig fürchten soll sich Helmut Kohl schon. Kommentar Seite 12

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