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■ Hamas soll in die palästinensische RegierungArafat am Ende seiner Weisheit

Die palästinensische Hamas hat in den vergangenen Wochen derart zugelegt, daß der Autonomiebehörde Angst und Bange wird. Aber Hamas in die Regierung? Es hat den Aspekt von Verzweiflung. Arafat ist am Ende seiner Weisheit. Und jetzt soll ausgerechnet Hamas helfen?

Die Organisation wird einen Teufel tun und Arafats Einladung folgen. Sie hat keinen Grund dazu. Und Arafat weiß das. Es ist ein Spielchen, das Beobachtern Sand in die Augen streuen soll, mehr nicht. Aber auf Dauer kann auch Hamas sich der politischen Verantwortung nicht entziehen. Es mag sein, daß die islamistische Organisation jetzt noch einmal davonkommt, aber auf lange Sicht wird sie sich ihrer politischen Verantwortung nicht entziehen können.

Es ist kein Problem für Hamas, dem 13prozentigen Rückzug aus den palästinensischen Autonomiegebieten, den die USA vorgeschlagen haben, zu widersprechen. Solange der sogenannte Friedensprozeß stockt, sind Attentate oder Selbstmordanschläge überflüssig. Das weiß auch Hamas. Die Organisation ist durch Festnahmen der Autonomiebehörde geschwächt. Die Operationsfähigkeit von Hamas ist eingeschränkt, selbst wenn sie derzeit nicht zuschlagen muß. Noch macht Netanjahu alles, um den Friedensprozeß zu stoppen. Und solange dies so bleibt, fehlt Hamas der Grund für einen Anschlag. Erst wenn sich dies ändert, könnte auch Hamas wieder den Anlaß sehen, einen neuerlichen Terroranschlag zu inszenieren.

Die Kalkulation mag durchsichtig sein. Aber ob sie richtig ist, ist eine ganz andere Frage. Nichts spricht dafür, daß Hamas nicht doch einen Anschlag lanciert, der den gesamten Prozeß ad hoc zum Erliegen bringen würde. Mit der Gewißheit, genau dies zu können, spielt die Organisation. Und Einhalt gebieten kann dem niemand. Hamas-Minister in Arafats Regierung werden daran grundsätzlich nichts ändern. Die vermeintliche palästinensische Einheit steht nur auf dem Papier. Das haben schon Organisationen wie die „Volksfront“ oder die „Demokratische Front“ erfahren müssen. Sie sind heute bestenfalls marginalisiert. Aber Hamas wird genau das nicht passieren. Am Ende werden alle bezahlen müssen. Und der Preis für Fatah und für Arafat wird sehr hoch sein, um Hamas einzubinden. Eine Regierungsbeteiligung scheint nicht mehr ausgeschlossen, auch wenn sie noch nicht aktuell ist. Arafats Chancen sind mager. Georg Baltissen

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