Kommentar: Alle fürs Volk
■ Die SPD hat die GAL reingelegt. Aber brauchen wir wirklich mehr Demokratie?
Man darf der SPD gratulieren: Der Volksentscheids-Antrag als Gewissensfrage einzelner Abgeordneter ist eine gelungene Inszenierung geworden. Der GAL wurde signalisiert, daß die SPD-Führung Schlimmeres – einen Fraktionsantrag – verhindert hat. Und dennoch liegt ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch.
Wie es nun weitergehen soll, ist jedoch rätselhaft. Die Koalition hat sich in eine ausweglose Lage hineinmanövriert. Ohne Gesichtsverlust kann keine Seite mehr aus dem Konflikt herauskommen. Beiden Parteien ist es bitterernst mit ihren Überzeugungen zum künftigen Umgang mit dem Volke.
So sehr man die GAL auch dafür bedauern möchte, daß sie erneut von den machterfahrenen Genossen brüskiert und vorgeführt wird, so sehr muß man auch fragen, wie ernsthaft sich die Grünen mit dem Vorhaben auseinandergesetzt haben. Gutgläubig vertraut die GAL darauf, daß Volkes Wille schon das richtige sein wird. Ist das etwa historisch begründet?
Die Mindestbeteiligung für die Volksgesetzgebung abzuschaffen, birgt unbestreitbar Gefahren. Ein paar hundert Unterschriften würden dann reichen, um die Unterbringung von Flüchtlingen wie in Flottbek und Harburg, Fixerstuben wie in Eimsbüttel oder ein schwules Seniorenprojekt wie in Hummelsbüttel zu verhindern.
Zu suggerieren, daß erleichterte Volksentscheide auch mehr Demokratie bedeuten, ist populistischer Hokuspokus. Worin der Fortschritt bestehen soll, wenn ein paar tausend Stimmen reichten, um etwa die Verfassung zu ändern, erschließt sich nicht. Silke Mertins
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