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Atomeklat: Rückkehr des Gedächtnisses

■ AKW-Chefs und CSU-Minister wußten von Strahlenflecken

Berlin (taz) – Nach öffentlichem Druck stoppt das Bundesumweltministerium einen geplanten Plutoniumtransport. Die „emotionale Debatte“ sei der Grund für den Transportstopp von Hanau in die schottische Atomanlage Dounreay, erklärte Ulrich Klinkert (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Der Transport von 73 Kilogramm Plutonium war am Montag bekanntgeworden. Greenpeace hatte darauf den Stopp verlangt.

Bei ihrer Entscheidung mag Merkel geholfen haben, daß immer neue Details über den Atomskandal bekanntwerden: Überraschend erklärte Karl Scheuffele, Sprecher des bayerischen Umweltministeriums, seine Behörde habe bereits 1986 eine Mitteilung über Grenzwertüberschreitungen bei einem Atomtransport erhalten. Erstmals räumte damit ein Umweltministerium ein, das Problem der radioaktiven Flecken auf Transportbehältern schon lange gekannt zu haben. Der Atomcontainer von 1986 war doppelt so stark kontaminiert wie erlaubt. SPD und Grüne forderten daraufhin den Rücktritt Goppels. „Es ist unterm Strich unerheblich, ob Umweltminister Thomas Goppel (CSU) von seinen eigenen Leuten für dumm verkauft wurde oder ob er bewußt die Mauer des Schweigens mitaufgebaut hat“, sagte grüne Landtagsabgeordnete Irene Maria Sturm. „Goppel hat sich mit seinem Schweigen ins Aus manövriert.“

Hintergrund für den Stopp des Plutoniumtransportes nach Dounreay dürften neben der sensibilisierten Öffentlichkeit aber auch jüngste Verhandlungen über die Sicherheit von Atom-Transportbehältern bei der Internationalen Atombehörde IAEO in Wien sein. In den neuen Sicherheitsstandards (ST-2) werden für hochradioaktive Stoffe stabilere Behälter verlangt – auch für solche wie den nun gestoppten.

Die AKW-Betreiber zeigen sich trotz ihrer angekündigten Vertrauensoffensive weiter zugeknöpft: Otto Majewski, Vorstandsvorsitzender des Bayernwerks, hatte zwar auf mehrfache Nachfrage vor dem Umweltausschuß des Bundestages zugegeben, alle Leiter von Bayernwerk-Atomkraftwerken seien über Grenzwertüberschreitungen in Kenntnis. Trotzdem soll der Unternehmensvorstand von den heißen Flecken aber nie erfahren haben, obwohl Kraftwerksleiter gewöhnlich in ständigem Kontakt mit der Unternehmensführung stehen.

Widersprüchlich äußerte sich PreussenElektra-Sprecherin Petra Uhlmann gegenüber der taz. Zwar wisse „das Unternehmen“ über die Grenzwertüberschreitungen seit 1974. Seit diesem Jahr werde über das „Phänomen“ Buch geführt. Ob aber der Vorstand informiert war, wolle sie nicht beantworten. Uhlmann bezeichnete die Kontaminationen als völlig bedeutungslos, obwohl die Ursache der Hot spots und die Zusammensetzung ihrer Radionuklide noch nicht geklärt ist. PreussenElektra werde nicht auf die Kosten achten, die zukünftig durch eine vorschriftsgemäße Dekontamination entstehen, so die Sprecherin. Peter Sennekamp

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