piwik no script img

Der Märchenprinz

Er war in fast allen Talkshows. Er spielt jede gewünschte Rolle. Journalisten tischte er schon nahezu alles auf. Frédéric von Anhalt, ein einstiger Saunabesitzer, der für 2.000 Mark zum Prinzen wurde, ist der Schaumschläger des Boulevards  ■ Von Oliver Kuhn

Für die Show „Mensch, Ohrner“ ließ das ZDF Prinz Frédéric im Juni eigens aus Amerika einfliegen. Während das Publikum bereits Moderator Thomas Ohrner beklatschte, wandte sich der Prinz ratsuchend an seine Nachbarn: „Um was geht es eigentlich in dieser Sendung?“ Prinz Frédéric von Anhalt ist eben ein Experte für alle Lebenslagen, und als solcher stopfte er auch dieses Jahr das Sommerloch im deutschen Fernsehen. Er war bekennender Viagra- Schlucker, Lottospieler, Sexfreak, Boygroup-Sänger und Hollywood- Lästermaul.

Dabei war ihm bei Ohrner das Thema ausnahmsweise auf dem Leib geschneidert: Mit dem ZDF- Mann talkte der Prinz über das „Geschäft mit der Sensation“. Bei Sat.1-Talker Jörg Pilawa mimte er den Millionär. In „Arabella“ plauderte er schon zum fünften Mal, diesmal über Luxus. Auch für „Blitz“, „Brisant“ und andere Boulevardmagazine hatte der adoptierte Schaumschläger Skandale parat: Er verstieß etwa die junge Berlinerin Bianca Schmidt, die er erst im letzten Jahr unter großem Tamtam adoptiert hatte.

In den letzten zwölf Jahren zählte Frédéric von Anhalt 480 Fernsehauftritte. Prinz Frédéric ist die Universalwaffe der Boulevardmedien – eine mediale Seifenblase, die über Jahre hinweg nie platzte. Er ist die perfekte Fassade – der optimale Kommunikator der Phrasen des Boulevardjournalismus. Die Blitzlicht-Magazine reißen sich um den einstigen Chef mehrerer Homosexuellensaunen. Dabei ist es ihnen offenbar egal, daß sich seine Geschichten später meist als Märchen entpuppen (siehe Kasten).

Der wegen Unterschlagung, Betrug und Hehlerei vorbestrafte Düsseldorfer Robert Lichtenberg ließ sich 1978 von der verarmten Kaiser-Schwiegertochter Marie-Auguste für 2.000 Mark monatliche Leibrente adoptieren. Mit dem adeligen Namen als Kapital wollte der frischgebackene Prinz von Anhalt, Herzog zu Sachsen und Graf zu Askanien raus aus dem Milieu und rein in die Society. „Die haben mich aber nicht akzeptiert“, mußte er dann ernüchtert feststellen. Er flog nach Amerika, um nach einer Berühmtheit zu fahnden, die ihn heiraten und ihm damit das Image des zwielichtigen Ruhrpott-Aufschneiders nehmen sollte. Als vermeintlich steinreicher Adeliger stapelte er so hoch, daß ihn die alternde Hollywood- Diva Zsa Zsa Gabor erhörte. Am 14. August 1986 ehelichte die damals (angeblich) 67jährige als ihren achten Gatten den rund 30 Jahre jüngeren Galan. „Das war die größte Schlagzeile, die ich je hatte“, erinnert er sich stolz. „Schräger Prinz heiratet Hollywood-Omi“, hatte Bild getitelt.

Seither lieben ihn die Medien: Als durchgeknallter Märchenprinz mit losem Mundwerk füllt er geschickt eine Lücke in der Boulevard-Berichterstattung. Schließlich wirkt der echte Adel eher blutarm und steht der Yellow press zumeist reserviert gegenüber. Die zunehmende Zahl der Boulevardmagazine im TV läßt sich längst ohne gefällige Exhibitionisten wie den Prinzen nicht mehr füllen.

Das Volk vor den Fernsehern läßt sich das Märchen von Reichtum, Glück und Dauererektion immer wieder neu auftischen – auch wenn es nur von Clowns wie Prinz Frédéric kommt. Frédéric von Anhalt läßt sich jederzeit vor Luxuskarossen fotografieren. Dazu legt er gerne eine Uniform aus dem Kostümverleih an, hängt gefälschte Orden an sein Revers und wedelt mit Visitenkarten, die er auf Elefantenhaut drucken ließ. „500 Stück kosten 4.000 Mark“, prahlt er. Er selbst behauptet, daß er sein Geld mit der Vermittlung von Adoptionen verdient. Für 100.000 Mark habe er den „Prinz von Hohenlohe“ im Angebot, einen „Wittgenstein“ könne er für 20.000 Mark vermitteln. „Die kriegt man nicht los“, klagt er.

Auf Parties verteilt er gegen üppige Honorare Faschingsorden, die er für 50 Mark anfertigen läßt. Bei solchen Geschäften ist Prominenz ungeheuer hilfreich, deshalb ist er abhängig von einer hohen Bildschirmpräsenz: „Viele Kunden kommen auf mich zu, weil sie mich in den Medien gesehen haben“, erklärt er. Sein größter Coup: Er schlug Thomas Gottschalk vor Millionen Zuschauern zum Ritter.

Doch auch die Aufwandsentschädigungen und Spesen für seine TV-Auftritte summieren sich. Um weiterhin regelmäßig im Fernsehen aufzutauchen, hat er sich auf Ratsch und Tratsch aus dem fernen Hollywood spezialisiert. Er fabuliert gerne über das feudale Leben jenseits des Ozeans: Er wohne in einer 60-Zimmer-Villa, treffe täglich „Freund Arni“, mit dem er im Fitneßstudio trainiere, und nachmittags gehe er immer zur Pediküre – für 300 Dollar.

Die mediengerechte Übertreibung hat er zusammen mit seiner Gattin perfektioniert. Als er nach Amerika kam, habe man ihn gefragt, wieviel Schlösser er besitze. „Drei“, hat er gelogen. Da habe Zsa Zsa Gabor geschimpft, erzählt er: „Du hättest fünf sagen sollen.“ Journalisten möchten sich nicht mit Kleinkram abgeben. Deshalb geht es bei den Prozessen des Prinzen immer um Millionen. Wer will nachher schon noch wissen, daß er etwa im Beleidigungsprozeß gegen Elke Sommer von den 1,4 Millionen Mark Schmerzensgeld, zu dessen Zahlung er Mitte August schlagzeilenträchtig verurteilt wurde, gerade 45 Mark beim Pfändungstermin rausrückte?

Besonders beliebt sind die schwer nachprüfbaren Geschichten über die angeblichen Unfälle des Prinzen Frédéric. Einer zufolge lief er in einem Büro von American Airlines gegen eine verschlossene Glastür. Er verlangte 2 Millionen Mark Schmerzensgeld. Mehrfach stürzte er, er wurde vom Pferd gebissen und überfallen – und immer wußten es die Medien zuerst. Sein Meisterstück: 1993 biß ihm der Hund seiner Gattin angeblich ins Genital. Die Narbe verdarb ihm die Saunabesuche – deshalb ließ er sie in einer TV-Operation beseitigen. Doch wer hat das Wundmal je gesehen?

Derlei kleinliche Fragen interessieren ihn ohnehin nicht. Da gibt er lieber noch eine Exklusiv-Anekdote aus dem Privatleben preis. Er habe eine Affäre mit einer Münchner Journalistin gehabt, und mitten in der Nacht habe das Telefon geklingelt. „Ich springe aus dem Bett, und plötzlich schmerzt mein Bein“ erzählt er. Was war passiert? Die Dame habe ihre dritten Zähne zum Schlaf herausgenommen und er sei hineingestiegen. Der Arzt habe die Beißer einzeln aus der Ferse operieren müssen. „Das ist doch eine feine Geschichte“, macht sich der Prinz anheischig, zumindest im Sommerloch.

Wenn er so ins Erzählen gerät, strahlt aus seinen Augen die Raffinesse eines Genies. Wenn er an seinen Geschichten spinnt, wird er unruhig und aufgeregt. Dann wirkt er, als durchlebe er wie ein guter Märchenerzähler alles im Geiste mit. Journalisten können dann den fast pathologischen Geltungsdrang spüren, der ihn antreibt. Der schönste Moment seines Lebens, sagt er, war auf dem Präsidentenwagen beim Kölner Karnevalsumzug vor zwei Jahren: „Wenn Ihnen zwei Millionen Menschen winken, fühlen Sie sich wie ein Diktator“, meint er. So sitzt er mit Cowboystiefeln und Jeans in den Lobbies der Luxushotels und brütet über immer neuen Varianten seiner Schmuddelgeschichten.

Für Sat.1-„Blitz“ will er sich im Herbst zum dritten Mal unters Messer des Schönheitschirurgen legen. „Diesmal werde ich mir den Penis verlängern lassen“, flüstert er und lächelt hintergründig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen