: Vom Phantom zur Partei
Der neue Landeschef der rechtsextremen DVU, Olaf Herrmann, will in den Bundestag. Der 22jährige Lichtenberger versucht, in Berlin Bezirksverbände aufzubauen ■ Von Sabine am Orde
„Die DVU hat in Berlin bislang keine große Rolle gespielt“, gibt Olaf Herrmann zu. Der 22jährige aus Lichtenberg ist angetreten, das zu ändern. Seit März ist Herrmann Berliner Landesvorsitzender der rechtsextremen Deutschen Volksunion, auf Platz eins der Landesliste kandidiert er für den Bundestag. Mit seinem dunkelblonden Kurzhaarschnitt, in abgewetzter Lederjacke und olivgrüner Baumwollhose sieht der gelernte Kaufmann ganz unauffällig aus, ungewöhnlich ist nur das stilisierte Eiserne Kreuz an seiner Kette. 1914 steht darauf.
Seit Sachsen-Anhalt habe sich einiges getan, verkündet Herrmann stolz. Mit dem dortigen Wahlerfolg der DVU im Rücken habe er neue Bezirksverbände in Lichtenberg, Friedrichshain und Hohenschönhausen, in Tempelhof, Steglitz und Spandau aufgebaut. Vorher gab es nur in Neukölln eine Bezirksgruppe. Inzwischen gebe es 650 Mitglieder.
In den vergangenen Jahren sei die DVU in Berlin öffentlich nicht in Erscheinung getreten, urteilen übereinstimmend Antifas und der Verfassungsschutz (VS). Auch Herrmann ist in der rechtsextremen Szene ein unbeschriebenes Blatt. Der VS geht von 500 „nominellen“ Berliner DVU-Mitgliedern aus, bestätigt aber eine zur Zeit rege Organisierungstätigkeit. Die ist eher ungewöhnlich. Die DVU hat den Ruf einer „Phantompartei“ ohne funktionierenden Parteiapparat, ihre Propaganda werde in der Münchener Parteizentrale unter Kontrolle des millionenschweren Verlegers Gerhard Frey, der auch alleiniger Parteichef ist, organisiert.
Parteimitglieder und Kandidaten gewinnt die DVU gewöhnlich unter den Abonnenten von Freys rechtsextremen Publikationen, der Deutschen Nationalzeitung und der Deutschen Wochen-Zeitung. Das war auch bei Herrmann so. Bei einem Bayern-Urlaub vor vier Jahren habe er erstmals die Zeitungen von Frey gelesen, dann habe er sie abonniert, schließlich Kontakt zum Berliner Landesverband aufgenommen. Mit Kandidaten wie ihm tritt die DVU gerne an, so will sie das Image des ewiggestrigen Altmänner-Clubs abstreifen.
Zehn Leute kandidieren auf der Berliner Landesliste der DVU, vier davon sind unter 30, die jüngste ist sogar erst 19 Jahre alt. Aber es seien, so Herrmann, auch paar „alte Kameraden“ dabei, einige von ihnen sind Experten seit langem bekannt. Schlagzeilen hat bislang allein der Lichtenberger Bezirksvorsitzende André Otto gemacht, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der 27jährige soll einen Schwarzen geschlagen und mit Tränengas besprüht haben. Anders als Herrmann äußern sich die meisten DVU-Kandidaten öffentlich nicht. Doch der Lichtenberger hat gelernt, Volksverhetzungen und zu klare braune Aussagen zu umschiffen. Von seiner „Liebe zur Heimat“ spricht er und von „Ausländerstopp“. Inzwischen ist Herrmann stellvertretender Pressesprecher der Bundespartei und hält sich vor allem in München auf. Von dort koordiniert er den Wahlkampf in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo die DVU am 27. September in den Landtag einziehen will. Dies soll – wie in Sachsen-Anhalt – mit Hilfe einer Materialschlacht gelingen. Auch in Berlin werden inzwischen verstärkt Plakate geklebt, die Wahlkampfzeitung soll per Post alle Haushalte erreichen. Hinzu kommen Flugblätter und Parteiprogramme, die meist nachts in Briefkästen gesteckt werden.
Dafür reist Herrmann fast jedes Wochenende aus München an. Mit dabei ist stets Linda-Susanne Liß, die „persönliche Referentin von Dr. Frey“. Sie kandidiert auf Platz zwei der Landesliste. Auf Direct- Mailing will die DVU in Berlin verzichten. In Sachsen-Anhalt hatte die Partei potentiellen WählerInnen, meist jungen Männern, gezielt ihre Parolen ins Haus geschickt. Auch Infostände und öffentliche Veranstaltungen gibt es nicht. „Zu gefährlich“, sagt Herrmann. Die DVU trifft sich konspirativ.
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