piwik no script img

SPD-Frauen stören Schröders Kreise

■ Spitzenpolitikerinnen wehren sich dagegen, daß die drei höchsten Ämter im Staat an Männer gehen. Lafontaine glättet die Wogen: Wenn Johannes Rau Bundespräsident wird, darf eine Frau als Bundestagspräsidentin antreten

Berlin (taz) – Nach den grünen machen nun die sozialdemokratischen Frauen mobil. Sie sehen sich bei der Besetzung von Führungspositionen zuwenig berücksichtigt. Gestern morgen traf sich eine Runde von Spitzenpolitikerinnen aus Partei und Fraktion, um ihrer Forderung nach einer angemessenen Präsenz Nachdruck zu verleihen. Wie die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Karin Juncker, gegenüber der taz erklärte, pochen die Frauen auf die satzungsgemäße Quote von vierzig Prozent auch bei der Kabinettsbildung. Von den drei zu vergebenden Spitzenämtern im Staat – Bundeskanzler, Bundespräsident und Bundestagspräsident – beanspruchen die Frauen eines.

Auf einer Sitzung des SPD-Parteirates hat der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine gestern nachmittag eine entsprechende Zusage gemacht. Gerhard Schröder, der gleichfalls anwesend war, äußerte sich nicht zu dem Thema. Die Frauen wurden aufgeschreckt von Meldungen, wonach die SPD-Spitze sich offenbar endgültig darauf geeinigt hat, Johannes Rau zum neuen Bundespräsidenten zu machen. Nach Zeitungsberichten hat sich Schröder im engsten Kreis dafür ausgesprochen, das Amt an den früheren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen zu vergeben: „Wenn er es will, bekommt er es.“ Lafontaine sagte, Rau sei wie kein anderer geeignet, die Menschen zusammenzuführen. Die Entscheidung über diese Personalie soll bald fallen.

Sollten Lafontaine und Schröder an Rau festhalten, würde sich für Wolfgang Thierse die Aussicht verschlechtern, Bundestagspräsident zu werden. Auf einem Treffen der parlamentarischen Linken am Wochenende war bereits die Festlegung der SPD-Führung auf Thierse in Frage gestellt worden. Das Amt wurde für eine Frau reklamiert. Genannt wurden die Namen der Abgeordneten Christa Hanewinckel und Sabine Kaspereit, die beide gleichfalls aus Ostdeutschland stammen. Die SPD-Frauen verweisen auf eine Äußerung Schröders, er könne sich eine Frau als Bundestagspräsidentin vorstellen.

Juncker machte deutlich, daß die Frauen nicht zufrieden seien, „nur eines der Spitzenämter“ zu kriegen. Mindestens fünf Ministerien müßten ihrer Ansicht nach an eine Frau vergeben werden. Auch fordern sie eine größere Präsenz in den Arbeits- und Verhandlungsgruppen, die den Koalitionsvertrag aushandeln. Juncker nannte die Festschreibung eines Gleichstellungsgesetzes im Koalitionsvertrag eines der „Essentials“ der sozialdemokratischen Frauen. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen