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SED-Millionen zu spät verbucht

■ Hätte der islamische Geschäftsmann einen PDS-Scheck verbaselt, hätten Fundamentalisten mit DDR-Geld eine schicke Moschee bauen können

Berlin (taz) – Die Politposse, die der sich auflösende Realsozialismus schrieb, begann bereits 1990 – erst am Donnerstag bereitete das Bundesverwaltungsgericht ihr ein juristisches Ende. Um genau sechs Tage, urteilte das Gericht, hat Gysis bunte Truppe die seltene Chance verfehlt, mit 37,5 Millionen Mark aus dem SED-Vermögen den Bau einer Moschee in Berlin zu finanzieren. Die Gelder wären auch islamischen Fundamentalisten zugeflossen.

SED, PDS, islamische Fundamentalisten – wie das zusammenpaßt? Nun, die Wege der PDS sind unergründlich. 1990 drohte der DDR die Auflösung und dem stattlichen Parteivermögen vom 1. Juni 1990 an die Konfiszierung durch die Treuhandanstalt. Einen Tag vorher stellte der PDS-Vorstand der neu gegründeten Islamischen Religionsgemeinschaft in Ostberlin einen Scheck über 75 Millionen Mark der DDR aus – als Wiedergutmachung für die Unterdrückung der Muslime in der DDR.

Empfänger war der Vorsitzende der Religionsgemeinschaft, der Geschäftsmann Abdel Younes. Younes, ein Geschäftspartner von DDR-Devisenhändler Schalck- Golodkowski, erhielt zusätzlich Darlehen im Wert von rund 60 Millionen Mark. Sein Amt als Vorsitzender der nunmehr gut entschädigten Religionsgemeinschaft gab der zwielichtige Geschäftsmann Younes kurz nach der Wiedervereinigung auf. Wenig später war er von der Bildfläche verschwunden. Sein Amtsnachfolger bei der Religionsgemeinschaft wurde der Westberliner Yaha Schülzke, ein zum Islam konvertierter Deutscher und seines Zeichens Vizepräsident der umstrittenen Islamischen Föderation – jener Organisation, die in Westberlin islamische Kindergärten betreibt und sich gerade das Recht auf Erteilung islamischen Religionsunterrichts an Schulen erstritten hat. Da die Islamische Religionsgemeinschaft nur eine Papier-Organisation ist, wären die PDS-Gelder, umgerechnet 37,5 Millionen D-Mark, mit großer Wahrscheinlichkeit in die Kanäle der Föderation geflossen.

Doch die Treuhandanstalt und ihre Nachfolgerin, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, stoppten die Auszahlung. Das Ganze sei ein Scheingeschäft, bei dem unter dem Deckmantel der Religionsausübung Parteivermögen beiseite geschafft werden sollte. Die erste Instanz sprach der Islamischen Religionsgemeinschaft die Gelder zu, in der zweiten unterlag sie. Jetzt, nach achtjährigem Rechtsstreit, entschied das Bundesverwaltungsgericht: die Islamisten gehen leer aus, die Gelder unterliegen der treuhänderischen Verwaltung des Bundes – aus einem ganz profanen Grund: Der Spendenscheck wurde zwar noch gerade rechtzeitig am 31. Mai von der PDS ausgestellt. Younes löste ihn jedoch erst am 6. Juni ein, sechs Tage nach dem Stichtag, an dem das SED-Parteivermögen dem Bund zufiel.

Dumm gelaufen für die Islamisten. Gerade noch mal gut gegangen für die PDS. Vera Gaserow

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