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Atomindustrie und SPD schon einig?

■ "Spiegel" meldet: Bundeskanzler Schröder und die Stromkonzerne haben sich über Atomausstieg bereits geeinigt. Unternehmen und Umweltministerium dementieren. Außerdem Zwist um das Ende des Endlagers Schac

Hannover/Salzgitter (taz) – „Es ist wenig sinnvoll über einen möglichen Ausgang der Konsensgespräche zu spekulieren.“ Mit diesen Worten hat der Bonner Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye gestern einen Bericht des Spiegel über einen bereits vereinbarten Fahrplan für den Atomausstieg zurückgewiesen.

Nach dem Vorabbericht sollen Schröder und die Vorstandschefs der vier Energiekonzerne Viag, RWE, Veba und Energie Baden- Württemberg sich bereits am Montag in ihrem Konsensvorgespräch auf ein Abschalten aller 19 bundesdeutschen AKWs binnen 20 Jahren geeinigt haben. Die Absprache sehe einen Staatsvertrag vor, in dem die Abschaltzeiten der AKWs festgeschrieben würden. Dabei wollten die Stromkonzerne auf eine Schadenersatzklage verzichten. Zwei ältere AKWs sollte noch vor der nächsten Bundestagswahl vom Netz gehen.

Gerhard Schröder selbst hatte nach dem Gespräch am Montag lediglich erklärt, daß „alle Beteiligten – jedenfalls die des heutigen Gesprächs – bereit sind, sich zu einigen“. Zu den im Januar beginnenden eigentlichen Konsensgesprächen will Schröder nicht nur die vier großen Energieversorger, sondern alle Eigentümer von AKWs oder von Beteiligungen an Reaktoren einladen.

Aus Kreisen der Energiewirtschaft wurde eine Vereinbarung mit Schröder über ein Abschalten gestern in Abrede gestellt. Mit dem Vorgespräch habe der Kanzler lediglich ein vorzeitiges Scheitern der Konsensgespräche verhindert. Aus dem Bonner Wirtschaftsministerium verlautete, die Frage der Restlaufzeiten sei der schwierigste Punkt der gesamten Verhandlungen und könne naturgemäß nicht am Anfang der Konsensgespräche geklärt werden.

Auch Michael Schroeren, der Sprecher des Bundesumweltministeriums, nannte den Spiegel-Bericht gestern „reine Spekulation“. Jürgen Trittin und auch sein Haus seien ausführlich über das Konsensgespräch unterrichtet worden, dabei sei ein Angebot, die Atomkraftwerke in 20 Jahren abzuschalten, nicht erwähnt worden, sagte Schroeren. Ein solches Angebot werde auch dem Ziel des Atomausstiegs nicht gerecht, sei „absolut ungenügend“. Die in dem Vorgespräch bei Gerhard Schröder anwesenden vier Vorstandsvorsitzenden hätten ohnehin keine bindenden Vereinbarungen treffen könne, da ihre Unternehmen nur gut zwei Drittel der bundesdeutsche AKWs besäßen.

Auf Kritik bei seiner niedersächsischen Parteibasis ist Bundesumweltminister Trittin unterdessen wegen seiner Haltung zum Atommüllendlager Schacht Konrad gestoßen. Trittin ist zwar gegen das bisher in Salzgitter geplante Endlager. Auch die rot-grüne Koalitionsvereinbarung sieht nur ein einziges Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle vor, und Schacht Konrad wurde als Endlager für schwach wärmeentwickelnde Abfälle konzipiert.

In einer Diskussion mit der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad am Mittwoch abend in Salzgitter lehnte es der Bundesumweltminister jedoch ab, den vom Bundesamt für Strahlenschutz gestellten Planfeststellungsantrag für das Endlager zurückzuziehen. In diesem Falle drohten Schadenersatzforderungen der AKW-Betreiber, die das Endlagerprojekt finanziert haben, von bis zu 1,4 Milliarden Mark, sagte Trittin. Aus den gleichen Gründen wollte Trittin auch nicht die Weisungen einfach aufheben, mit denen seine Amtsvorgängerin Angela Merkel das niedersächsische Umweltministerium an einem ablehnenden Planfeststellungsbeschluß gehindert hatte. Der niedersächsische Landtag forderte Trittin allerdings am Mittwoch mit den Stimmen von SPD und Grünen zur Rücknahme des Genehmigungsantrages und der Weisungen auf. Jürgen Voges

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