: Die Bremerin, die Fidel Castro töten sollte
■ Die Hansestadt bringt auch schillernde Persönlichkeiten hervor: Eine von ihnen ist die Kapitänstochter Marita Lorenz, die im Alter von 19 Jahren unwiderruflich und lebenslang in das Räderwerk des Kalten Krieges geriet
An der Pinwand in Wilfried Huismanns Büro hängt das Foto einer Frau. In diese Frau hat sich der mit Preisen überschüttete Bremer Fernsehjournalist regelrecht vernarrt. Auf dem Foto ist sie, die Bremer Kapitänstochter Marita Lorenz, wohl 19 Jahre jung und sitzt neben ihrem damaligen Liebhaber, dem maximo lider der kubanischen Revolution, Fidel Castro. Heute lebt die fast 60jährige Marita Lorenz irgendwo in Baltimore. Und Wilfried Huismann will in wenigen Tagen aufbrechen, um ihre fast unglaubliche Geschichte zu erzählen.
Dem Exposé für seinen neuen Film zufolge, das Wilfried Huismann nach zwei Grimme-Preisen für die Produktionen „Das Totenschiff“ sowie für „Das Geheimnis um das Olympia-Attentat 1972“ jetzt erstmals den Bremer Dokumentarfilm-Förderpreis einbrachte, ist Marita Lorenz 1939 im Bremer Stadtteil Schwachhausen geboren. Ihr Vater war damals Kapitän der Reichsmarine. In der Wohnung soll er sich mit Admiral Canaris und anderen Offizieren getroffen haben, die am Sturz Hitlers arbeiteten. Auch Maritas Mutter war als Agentin tätig und betrieb im Auftrag des amerikanischen Militärgeheimdienstes im Keller des Elternhauses eine Funkstation. Die Gestapo schöpfte eines Tages Verdacht, setzte Maritas Mutter aber aus Mangel an Beweisen wieder auf freien Fuß.
So abenteuerlich schon diese Vorgeschichte klingt, so unglaublich erscheint auch Maritas eigener Werdegang. 1959 steuerte Kapitän Lorenz das Schiff „Berlin“ nach Havanna. Marita war an Bord. Fidel Castro besichtigte das Schiff und verliebte sich in die Kapitänstochter. „Sie geriet damit unwiderruflich und lebenslang in das Räderwerk des kalten Krieges“, schreibt Wilfried Huismann in seinem Exposé.
Nach ihrer Darstellung wurde die von Castro schwangere Marita Lorenz nach der Entbindung von einem CIA-Kommando entführt und in die USA verschleppt. In einer Art Gehirnwäsche überzeugte die CIA die junge Frau davon, daß Castro ihr Kind töten ließ. Der Geheimdienst schickte sie mit dem Auftrag nach Kuba, Castro zu vergiften. Doch sie erfüllte diese Weisung unter anderem deshalb nicht, weil sie erfuhr, daß ihr Kind überlebt hat (und heute als Arzt auf der Insel arbeitet). Als „Versagerin“ kehrte Marita Lorenz in die USA zurück, wurde mit Morddrohungen zur weiteren Mitarbeit im Sumpf aus Geheimdienstoperationen und organisiertem Verbrechen gezwungen. Unter der Schlagzeile, „Die Frau, die von Castro vergewaltigt wurde“, machte die CIA damals die Geschichte publik und zur Waffe im unerklärten Krieg gegen Kuba.
Vor über fünf Jahren hat Marita Lorenz ihre Geschichte in einer Interview-Autobiographie veröffentlicht. „Was für eine Story?“ wunderten sich die Rezensenten. Ein Kritiker schrieb: „Rutsch zur Seite, Mata Hari, hier sind die wilden und fast unglaublichen Abenteuer einer neuen Jane Bond.“ Auch Wilfried Huismann hat an Teilen der Geschichte Zweifel. Doch er sieht es so ähnlich wie dieser Kritiker, der über das Buch schrieb: „Im Verlauf der Geschichte gewinnt man den Eindruck, daß das echte Leben so aufregend (und noch befremdlicher) sein kann wie die Fiktion.“
Im Januar wird Wilfried Huismann mehr erfahren. Denn dann braucht sich der Journalist nicht mehr auf Fotos und Dokumente verlassen, die Marita Lorenz schillernde Rolle nachweisen. Huismann wird dann damit beginnen, die Lebenserinnerungen der Bremer Kapitänstochter aufzunehmen. Er wird mit ihr in die Everglades, die Sümpfe im US-Bundesstaat Florida, fahren, wo sie einst dazu ausgebildet wurde, Fidel Castro zu töten. Und dann wird er mit ihrer Hilfe „Maritas Geschichte“ erzählen. ck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen