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Koch beschwört die deutsche Wertegemeinschaft

■ Hessens CDU-Spitzenkandidat Koch greift auf Wahlveranstaltung zu populistischen Thesen

Kassel (taz) – „Neu rangehen“ will die CDU nach der verlorenen Bundestagswahl jetzt in Hessen. Der Slogan zur Landtagswahl am 7. Februar soll den Aufbruch der Partei zu neuen Ufern suggerieren und die „Kampfbereitschaft“ der Union unterstreichen: ganz offenbar den Aufbruch nach rechts; und den Kampf gegen die „rot-grüne Republik“, zu dem Spitzenkandidat Roland Koch am Freitag abend in Kassel unter dem Beifall von rund 2.000 Unionisten aus den hessischen Kreisverbänden und neuen Symphatisanten der CDU aufrief.

Von einem Straßenkämpfer und „Molotowcocktailschleuderer“, wie Joschka Fischer einer sei, lasse sich die CDU jedenfalls nicht ihre Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft madig machen, polemisierte Koch.

Das Auditorium dankte es ihm mit stehenden Ovationen, vor allem, als Koch von der deutschen Nation als „Wertegemeinschaft“ sprach, in die sich die Ausländer nicht so einfach einreihen könnten und dürften. An der langen Theke der Messehalle orderten da die neuen Freunde der Union, die neben den Parteimitgliedern den Saal gut zur Hälfte füllten, ein Glas Pils und leerten es „auf die neue CDU“. Es gehe nicht nur darum, die doppelte Staatsbürgerschaft „für Türken und andere Islamisten“ zu verhindern, sagt einer der jüngeren Zuhörer. Auch der Zuzug von weiteren Ausländern müsse unbedingt verhindert werden, „sonst sind wir Deutsche bald nicht mehr die Herren im eigenen Haus“. Die Umstehenden applaudieren.

Die große Peinlichkeit, auf der Veranstaltung mit organisierten Alt- und Neofaschisten von der NPD, der DVU oder den Republikanern konfrontiert zu werden, die der Union bereits ihre Unterstützung bei der Durchführung der Unterschriftenaktion signalisierten, ersparte sich die Partei in Kassel durch gleich drei Sicherheits- und Gesichtskontrollen beim Einlaß. Zudem gab es vor dem Versammlungsgebäude Vorfeldkontrollen durch die Polizei.

Die hessische Union, die in den Umfagen als chancenlos eingestuft wird, kämpft überall mit harten Bandagen. Im Wahlspot der Union ist von drei Millionen Ausländern die Rede, die durch die doppelte Staatsbürgerschaft zu Deutschen würden; der hessische Europaabgeordnete Hartmut Nassauer sprach schon von vier Millionen. Das ganze sei auch eine „Zumutung für Europa“. Denn mit der doppelten Staatsbürgerschaft würden „diese Ausländer“ automatisch auch Bürger der Europäischen Union. „Zuzugsbegrenzung“ sei das Gebot der Stunde, konstatierte dann der Bundesvorsitzende der Union, Wolfgang Schäuble. Deutscher und Ausländer könne niemand gleichzeitig sein: „entweder Deutscher oder Ausländer“. Die Union sei für die Integration. Aber sie sei auch gegen den deutschen Paß zum Nulltarf. „Nationalstolz“ sei eine deutsche Tugend, so wie in Frankreich eine französische. „Warum haben wir denn bei der WM mit der deutschen Nationalmannschaft so gelitten? Weil wir Deutsche sind, und weil wir gerne Deutsche sind.“

In Kassel wurde klar: Weil die sogenannte neue Mitte von SPD, Bündnisgrünen und FDP besetzt ist, weicht die CDU nach rechts aus. „Wir sind für Law and order; und wir sind stolz darauf“ (Koch). „Hart durchgreifen“, steht auf einem Wahlplakat. Aber spaltet die populistische Unterschriftenaktion gegen die doppelte Statsbürgerschaft nicht vielleicht das Land und die Union? Koch ficht das nicht an: „Ich appelliere an die Geschlossenheit der Union in dieser Frage.“ Nur eine geschlossene CDU könne die Hessenwahl gewinnen; das wüßten auch die prominenten Kritiker der Aktion. Die hätten jetzt zu schweigen.

Etwas hat die Union in Hessen mit ihrer Kampagne immerhin schon bewirkt: Die Wählerinnen und Wähler der Bündnisgrünen, die ihrer Partei wegen der zahlreichen Äffären durch Wahlenthaltung einen Denkzettel verpassen wollten, werden alle in die Wahllokale strömen, um ihr Votum gegen Koch und die nach rechts abdriftende CDU abzugeben. Klaus-Peter Klingelschmitt

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