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Sozialamt als Hilfsstelle der Polizei

■ Auf Anweisung von CDU-Senatorin Hübner müssen die Sozialämter künftig die Termine ihrer Klienten an die Polizei weitergeben

Wer zukünftig zum Sozialamt geht, dem kann es passieren, daß dort die Polizei auf ihn wartet. Denn nach einer gestern erlassenen Anweisung von Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) sind die Sozialämter nunmehr verpflichtet, die Termine ihrer KlientInnen an die Ermittlungsbehörden weiterzugeben.

„Im Einzelfall und auf Ersuchen“ sollen die Sozialbehörden unter anderem die Polizei über den derzeitigen und zukünftigen Aufenthalt einer Person informieren, zum Beispiel also den nächsten Vorsprachetermin auf ihrem Amt. „Auf jeden Fall ist der momentane oder wiederkehrende Aufenthalt mitzuteilen, wenn ein Vollstreckungsbefehl über 1.000 Mark oder ein Haftbefehl vorliegt“, so Ulrich Friese, Leiter des Rechtsreferats der Sozialsenatorin. Allerdings dürfe das Ersuchen nicht länger als sechs Monate zurückliegen.

Die Anweisung der Sozialsenatorin bezieht sich auf eine Gesetzesänderung, die ihre bisherige Rechtsauffassung bestätigt. Diese hatte in der Vergangenheit für Ärger mit einigen Bezirken gesorgt. Die hatten ein Rundschreiben mit empfehlendem Charakter bislang aus datenschutzrechtlichen Gründen ignoriert. „Wir hoffen, daß der Senat jetzt die Kritik berücksichtigt hat“, so Kreuzbergs Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). „Wir sind mit dieser Ausdehnung nicht glücklich“, kritisiert auch die stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte, Claudia Schmid, die Anweisung aus der Sozialverwaltung. Durch sie würden die Sozialbehörden zu „Außen- und Hilfsstellen der Polizei“. Rechtlich gesehen sei die Datenweitergabe jedoch im Kern zulässig. In den nächsten Tagen werde der Text noch einmal auf datenschutzrechtliche Schwachstellen geprüft.

Für Asylbewerber existiert bereits seit Mai 1997 der „Sondertatbestand“, nach dem die Sozialbehörden auch den zukünftigen Aufenthaltsort an die Ermittlungsbehörden weitergeben müssen. Andreas Spannbauer

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