■ 100 Tage Rot-Grün: Was wird aus dem Bündnis für Arbeit?: Das Veto der Unternehmer
Die Konsenspolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder steckt tief in der Krise, bevor sie richtig begonnen hat. Das zentrale politische Projekt der rot- grünen Regierung ist die Verringerung der Arbeitslosigkeit – dabei wiederum spielt das Bündnis für Arbeit die wichtigste Rolle. Wer auf Verständigung hofft wie Schröder auf das Mittun der Unternehmer, ist auch von seinen Gesprächspartnern in hohem Maße abhängig. So haben die deutschen Unternehmerverbände, oft schon als halbe Leichen verspottet, plötzlich ihr Thema gefunden: das Bündnis für Arbeit. Hier setzen sie den Hebel an, um eine Vetoposition gegen die Regierung aufzubauen.
Zweimal während der dreimonatigen Regierungszeit bereits griffen Spitzenmanager zum dicken Knüppel. „Wir lassen das Bündnis platzen“, drohten sie. Zum ersten Mal kam der Energiekonzern RWE auf diese Idee, um den schnellen Stopp der atomaren Wiederaufarbeitung zu verhindern. Die Regierung gab klein bei. Und nun kündigt Dieter Hundt, Präsident des Arbeitgeberverbandes, der Gewerkschaft IG Metall den vorzeitigen Tod des Bündnisses an, falls diese nicht auf die 6,5-Prozent-Lohnerhöhung verzichtet. Die Unternehmer haben nicht nur die Gewerkschaften im Visier, sondern machen implizit die Regierung haftbar für die Tarifpolitik. Wieder wird der Hebel angesetzt, um ein Wohlverhalten zu erzwingen, das die Unternehmergewinne steigert. Die Regierung gerät in die Klemme und verliert politischen Spielraum. Eilfertig wandte sich Schröder bereits an die IG Metall.
Die mißliche Situation für die Regierung entstand, weil ein Konsensprojekt zum wichtigsten Gradmesser des politischen Erfolges gemacht wurde. Rot-Grün würde vermutlich besser fahren, wenn das Schwergewicht zumindest besser verteilt worden wäre. Die Ökosteuer, ein eigenständiges Gesetzgebungsvorhaben der Regierung, könnte ebenfalls viele Arbeitsplätze schaffen, ohne in dieser Form von der anderen Seite mißbraucht zu werden.
Absehbar ist nun, daß das Bündnis für Arbeit stattfinden und in Grenzen auch funktionieren wird. Die Regierung muß jedoch außerhalb der Gespräche einen hohen Preis bezahlen und Opfer in vielen Politikbereichen erbringen. Denn die Konsensstrategie zwingt schon zu Zugeständnissen an die Unternehmerverbände, bevor sie selbst im Bündnis auch nur einen Kompromiß eingegangen sind. Hannes Koch
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