: Viele sparen ohne Effizienz
■ Gibt es eine neue Moral beim Geldanleger? Das Sparbuch wandert zwar allmählich ins Antiquariat - aber nicht das des Kleinanlegers. AS-Fonds verdient Aufmerksamkeit
Wird Deutschland zu einer Aktien-Gesellschaft? Zunehmend zeigen sich die Börsenplätze der Republik und anderswo als Stimmungsbarometer, als sensible Reaktionsflächen nationaler und globaler Trends. Moral und Umwelt gehören jedenfalls nicht zu den kursweisenden Indikatoren. Börseninteressierte wußten schon um die Jahreswende, daß Jürgen Trittin den Kampf gegen die Atomlobby verlieren würde: Die Energieversorger strahlten dank haussierender Kurse im Stimmungshoch. Die Öffentlichkeit erfährt, daß die Deutsche Bank Auschwitz wissentlich kreditiert hat, die Kurse stiegen am Folgetag; nicht deswegen, sondern weil niemand einen Skandal will. Denn das ist der Boden, auf dem unsere Rente gedeiht, weil die öffentlichen Versorgungsinstrumente uns aller Voraussicht nach nicht mehr erreichen werden.
Etwa 15 Prozent der Deutschen sind börslich involviert, wenn auch nur mit etwa der Hälfte des gesamten Sparkapitals. Zum Vergleich: In England gibt es kaum jemanden, der keine Aktien hat. Japan und USA überraschen ebenfalls nicht als Vorreiter in dieser Beziehung. Gerade zwei Jahre ist es her, daß Manfred Krug und „seine“ Telekom an die Börse ging – und Hunderttausende gingen mit. Neueinsteiger konnten schon nach wenigen Tagen Gewinne einheimsen, und zumindest die damals Mutigen können sich ihrer bis heute erfreuen, obwohl die Telefonbranche im Preiskrieg steckt.
Wer heute in Deutschland im Bus, im Fahrstuhl oder in der Uni von Neuemissionen oder Zeichnungsgewinnen spricht, findet Gesprächspartner. Titel am Neuen Markt werden mit einer verbalen Sicherheit gehandelt wie Popgruppen oder Fußballmannschaften. Vor allem junge Leute wissen Bescheid, sie reden nicht nur mit, sondern investieren auch – in ein Depotkonto ihrer Bank, agieren via Internet oder Handy auch ohne Yuppie-Allüren. Schulen spielen Simultan-Börsenspiele im landesweiten Wettbewerb.
Doch vergessen wir nicht die andere Klientel: Des Deutschen liebstes Kind bleibt das Sparbuch, trotz Niedrigzinsen und sich rasant vermehrender Anlagekonkurrenzprodukte. Auf der Internationalen Anlegermesse (IAM) in Düsseldorf im Dezember vergangenen Jahres konnte jedem Besucher ein Licht aufgehen: Alle Finanzdienstleister blasen zum Angriff auf den deutschen Spars(tr)umpf, Deutschland könnte ein Eldorado für Investmentgesellschaften werden. Vom Garantiefonds bis zum Futurefonds, ob mit oder ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde, wird der Kunde geradezu überschüttet mit Hochglanzprospekten. Es gibt mehrere Tausend seriöser Fonds – welcher Berater kennt da noch das beste Produkt? Wie zu Zeiten Morgenthaus kommen die größten Anlagegesellschaften wieder einmal aus der Neuen Welt, diesmal mit Zwischenhalt in Luxemburg, nicht nur wegen so mancher Steuerersparnis, wie man meinen könnte, sondern weil die deutsche Bankenaufsicht erst seit Mitte der 90er Jahre bestimmte Fonds angelsächsischer Herkunft ins Land läßt. Dürfte es ihnen wie den beiden bildhaft gebrauchten amerikanischen Schuhverkäufern in der Wüste ergehen: Der Pessimist sieht keine Absatzchancen, da alle barfuß gehen; der Optimist ordert große Mengen Schuhwerks, weil er meint, daß auch hier alle Menschen Schuhe brauchen.
Und so leicht gibt der Michel sein Sparbuch nicht her, so er es denn überhaupt findet. Selbst die Banken, die ihn Jahrzehnte zu dieser Anlageform erzogen haben, bieten ihm hauseigene Fonds – etwas Internationales dürfen sie nicht verkaufen –, die zum Teil auch gute Renditen erwirtschaftet haben. Der staatlich geförderte Altersvorsorge-Sondervermögen- Fonds, kurz AS-Fonds, steht dabei im Mittelpunkt der Werbung. Leider ist sie zuwenig erfolgreich, beklagen die Bankinstitute; auch im herbstlichen Fußball-Länderspiel Deutschland – Niederlande wirkte das Stichwort Altersvorsorge auf viel zu großen Banden eher beruhigend auf die deutschen Spieler.
Die Mehrzahl der Sparer zeigen sich bisher resistent gegen effizientere Sparformen. Gerade der AS- Fonds hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, da er die Rente sichern soll; ein Gesetz noch aus den Tagen der Blüm-Administration, die ja nie erklärt hat, wo die sichere Rente denn herkommen soll. Jetzt wissen wir es, und der Grundgedanke ist richtig: Wer hier jährlich 800 Mark spart, bekommt 160 Mark dazu, im Osten gar 200 Mark. Nach mindestens 18 Jahren oder im Alter von 60 hat er nach Hochrechnungen weit mehr Rente als aus der Rentenkasse, in die er schließlich ein Vielfaches eingezahlt hat.
Das Zauberwort heißt Fondssparen. Es beruht auf der Annahme, daß in den besagten 18 Jahren die ausgewählten Fonds durchschnittlich 10 Prozent Rendite pro Jahr abwerfen und so dem Sparer im Rentenalter einen angenehmen sozialen Standard ermöglichen. Das kann klappen, bleibt aber spekulativ. Dafür spricht, daß Indices wie DAX, Dow Jones oder S&P an den Finanzmärkten seit Börsengeschichtsbeginn kontinuierlich steigen – Crashs haben sich immer nur belebend ausgewirkt, das ist leicht nachweisbar. Der Sparer braucht einen unerschütterlichen Glauben in die Marktwirtschaft und deren Global Player. Er muß zu den historisch günstigsten Zeitpunkten investiert sein, wie zum Beispiel in der langanhaltenden Hausse, die am 20. Juli 1998 jäh beendet wurde. Durchhalten oder nicht hinsehen ist angesagt, wer zwischendurch aussteigt, um Krisen zu umgehen, verpaßt den günstigsten Wiedereinstieg. Banken und Investmentgesellschaften weisen den Anleger zu seiner eigenen Sicherheit darauf hin, daß vergangene Erfolge, sehenswerte Performances oder gute Returns, wie der Broker sagt, keine Garantie für zukünftige Gewinne sind. Wenn der als konservativ bezeichnete Sparbuchsparer sich überlegt, was denn die Banken mit seinem Geld machen, wird er herausbekommen, daß sie sein Vermögen all die Jahre eben auch in Fonds gestreut und gut damit verdient haben; Das langfristige Anlegerrisiko geht folglich gegen Null.
Nur Mut: Die momentanen niedrigen Zinsen und der niedrige DAX sind der goldene Boden für erfolgreiche Aktienkäufer. Bernd Schäfer-Zurhelle
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