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■ Feldherr Fischer, Queen of Jammerlappen„Ich. Krieg oder Frieden. Ich.“

Es war einmal, da hatte Joschka Fischer ein schönes Leben. Er saß in seinem Frankfurter Büro herum, und mittags ringelten sich die Journalisten in seinem Schoß zusammen. Damals war Fischer glücklich gewesen: ein Provinz- und Stammesfürst, behäbig, bauchig, semi-mächtig und genau damit zufrieden. Wenn er einmal richtig schlechte Laune bekam, schiß er nach Gutsherrenart ein paar Flaschen vom grünen Fußvolk zusammen, und alles war wieder im Lack. Ein trinkbarer Champagner war immer in Reichweite, gute Weine ebenfalls, man futterte, was und wann immer man wollte, auch an Frauen war kein Mangel, und wenn er eine satt hatte, nahm sie ihm irgendwann der Frankfurter Discjockey Klaus Walter ab, der gerne öffentlich damit prahlte, daß er dieselben Frauen fickte wie Fischer.

Fischer wurde stämmig, schwammig, später auf eine feste, pralle Art fett, nicht wenig an Statur und Habitus des Grünen erinnerte an Franz-Josef Strauß – es wäre ein schönes Endstadium für eine Regionalcanaille gewesen. Leider aber hatte der Mann größeren Ehrgeiz und begann, den Deutschen mit dem zu imponieren, was sie noch immer am meisten bewundern: mit der Kraft des Willens. Fischer wetzte Marathon; der turnschuhfitte Mann gab seine chronische Leistungsbereitschaft und Anpassungswilligkeit als Taffheit aus und glaubte sogar selber dran. Die Luftnummer zog, nur seine Mundwinkel verjüngten sich in Richtung Mutter Erde, er wurde dünner und dünner und mutierte zum Minister.

Hin und wieder aber trauerte er den Jahren in der Provinz nach. Dann weinte er sich bei seinen Kumpels vom Spiegel aus. Das las sich so: „Ich habe einen 16-Stunden-Tag, ein freies Wochenende ist mittlerweile zur Utopie geworden, sehe kaum noch meine Frankfurter Wohnung.“ Einer der Journalisten reichte ihm ein Tempotuch, aber Fischer winkte ab. Das mußte einfach mal raus! „Ich bin mit dem Kosovo, mit der Agenda 2000, mit all den Problemen beschäftigt“, schniefte er ins Diktiergerät. Er wurde von einem Weinkrampf geschüttelt: „Immer wenn der eisige Nordwind in Orkanstärke von vorne bläst, nach verlorenen Abstimmungen auf Parteitagen, heißt es: Wo ist Fischer?“

Nachdem er seinen eigenen Namen gesagt hatte, ging es ihm schon besser. Langsam stabilisierte er sich, und die Wehleidigkeit kehrte zu ihrem Ursprung zurück, zur Brutalität. „Ich sage Ihnen“, schrie Fischer, mitgerissen von sich selbst, „das waren die härtesten Verhandlungen meines Lebens in Rambouillet! Zum ersten Mal hatte ich über die Frage Krieg oder Frieden zu entscheiden.“ Erschöpft vor Begeisterung sank er in sein Sofa zurück. Und sagte es nochmal: „Zum erstenmal hatte ich über die Frage Krieg oder Frieden zu entscheiden.“ Er sah die Spiegel-Leute an. „Ich. Verstehen Sie? Ich. Krieg oder Frieden. Ich.“ Die Worte schienen von ganz alleine aus seinem Mund zu tropfen. „Ich, Krieg oder Frieden. Ich.“ Auf Zehenspitzen verließen die Redakteure das Zimmer. Und obwohl sie nicht einmal ahnten, was sie da hatten, gaben sie Fischers Worte in Druck. Das Interview erschien am 1. März 1999, und man muß dem Spiegel dafür danken. Erst ein bißchen heulen bei Mutti, und dann über anderer Leute Leben oder Tod entscheiden: ein deutscher Außenminister ganz bei sich. Wiglaf Droste

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