piwik no script img

KommentarKeine Neugierde

■ Sturm auf Konsulat: Staatsanwalt gerät unter Druck

Die Vorgänge vor und im israelischen Konsulat vor mehr als zwei Wochen sind nach wie vor ungeklärt. Doch jetzt erscheint das Manöver der Staatsanwaltschaft vor dem Rechtsausschuß gegen die israelischen Schützen wie ein Ablenkungsmanöver vom Handeln der deutschen Behörden, besser: von deren Versagen. Auch wenn die beiden israelischen Schützen möglicherweise nicht alle Schüsse aus Notwehr gegen die anstürmenden Kurden abgefeuert haben, hätte es vielleicht zu diesem Blutbad gar nicht erst kommen müssen. Die deutschen Polizeibeamten haben sich offenbar nicht wie gut ausgebildete Polizisten, sondern wie buchstabentreue Beamte verhalten. Hasenfüßig standen sie vor dem Gebäude. Sie sahen sich angeblich nicht befugt, exterritoriales Gebiet zu betreten. Das erscheint angesichts der um Hilfe rufenden Menschen jammervoll. Versucht Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge den Blick der Öffentlichkeit daher vor allem auf die anstürmenden Kurden und die schießenden Israelis zu wenden und den Focus der Presse vor allem auf die Frage zu konzentrieren: War es Notwehr oder gar Totschlag?

Das kann er zudem mit einem beruhigenden Gefühl anstellen. Er als deutscher Staatsanwalt kann die beiden israelischen Schützen mit diplomaitschem Status ohnehin nicht anklagen. Aber er kann damit, so mag er gehofft haben, einen schlecht durchgeführten Polizeieinsatz verschleiern. Warum sonst ist den deutschen Ermittlern nicht besonders an der Vernehmung der israelischen Diplomaten gelegen? Warum zeichnet Karge sonst in der Öffentlichkeit das irreführende Bild, die israelischen Diplomaten stünden für Befragungen durch die deutschen Behörden nicht zur Verfügung? Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, hat Karge nicht nur der Aufklärung der Vorfälle mächtig geschadet, sondern vor allem das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Justiz beschädigt. Ein Journalist sagte auf der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag: „Wenn Sie keine angeborene Neugierde hätten, wären sie nicht Generalstaatsanwalt geworden.“ Karge antwortete schmunzelnd und geschmeichelt: „Ja, richtig.“ Herr Karge, wo ist denn Ihre Neugierde? Ermitteln Sie. Aber in alle Richtungen. Annette Rollmann

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen