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Ermittlungen gegen SEK-Beamte

■ Nach gewaltsamer Aktion gegen 67jährigen Bosnier, der mit jüngerem Landsmann verwechselt wurde, wird gegen SEK-Beamte ermittelt. Anzeigen der Romani Union und des Flüchtlingsheims

Das brutale Vorgehen eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Polizei am vergangenen Dienstag gegen einen 67jährigen Rom, der mit einem mutmaßlichen Entführer gleichen Namens verwechselt wurde, hat ein juristisches Nachspiel. Gestern bestätigte die Innenverwaltung, daß die Staatsanwaltschaft gegen acht SEK-Beamte ermittelt, die in einem Flüchtlingswohnheim in Mariendorf den Bosnier Musto A. geschlagen und mißhandelt haben sollen. Der Rom, der seit sieben Jahren zusammen mit seiner gehbehinderten Frau in dem Heim wohnt, war von den Polizisten mit einem 47 Jahre jüngeren potentiellen Entführer verwechselt worden. Bei dem Zugriff war Musto A. so schwer verletzt worden, daß er bis heute stationär behandelt werden muß und unter einem Trauma leidet. Die Ärzte hatten eine Kopfverletzung, blaue Flecken sowie tiefe Einschnitte an der linken Hand attestiert.

Für die Leiterin des Wohnheims, Uta Sternal, ist es „ein Skandal, wenn geschulte Polizisten den Altersunterschied nicht bemerken“. Sie hat Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Auch die Romani Union Berlin hat Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gegen die beteiligten Polizisten gestellt. Die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus brachte den Fall gestern im Innenausschuß zur Sprache. Ihr innenpolitischer Sprecher, Marian Krüger, sprach von „einem klaren Fall von Folter“.

Nach einem Zeugenprotokoll, aufgenommen von der Romani Union, wurde Musto A. kurz nach vier Uhr nachts aus dem Bett gezerrt und geschlagen — ohne nach seiner Identität gefragt worden zu sein. Dann habe ihm ein Polizist eine Waffe an den Kopf gehalten, ein weiterer habe sich auf seinen Rücken gekniet. Der Rom sei eine Stunde lang geschlagen und getreten worden. Erst danach sei nach seinem Paß gefragt worden.

Die Polizei dementiert dies — zum Teil. „Nach zehn Minuten waren wir wieder weg“, sagte gestern SEK-Chef Martin Textor. Er sprach zwar von einem „bedauerlichen Vorfall“. Doch dem SEK könne kein Vorwurf gemacht werden: „Der Zugriff erfolgte im Dunkeln, unsere Informationen ließen kein anderes Vorgehen zu“, so Textor. Seinen Beamten sei das Alter des Gesuchten bekannt gewesen, so Textor. Doch die Namensgleichheit mit einem 20jährigen Bosnier habe zu der Verwechslung geführt.

Hintergrund des Einsatzes war die Anzeige der Eltern eines 15jährigen bosnischen Mädchens wegen erpresserischen Menschenraubes. Das Mädchen ist inzwischen nach Polizeiangaben wieder bei den Eltern. Im Zuge der weiteren Ermittlungen sei es, so Jörg Becken von der Romani Union, zu einem weiteren Übergriff gegen einen bosnischen Rom gekommen. Sevko A., der Vater des mutmaßlichen Entführers, sei ebenfalls von der Polizei mißhandelt worden. Er sei inzwischen abgeschoben worden. Christoph Rasch

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