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BKA beschlagnahmte Bibliotheks-Daten

■ 1.000.000 Datensätze mit den Angaben, wer wann welches Buch in Bremen ausgeliehen hat, beschlagnahmte das Bundeskriminalamt 1995 / Der Vorfall wurde vier Jahre verschwiegen

Es ist schon Jahre her, und offensichtlich wie ein Staatsgeheimnis gehütet worden: Das Bundeskriminalamt hat im August 1995 den gesamten verfügbaren Datenbestand der Bremer Staatsbibliothek über die getätigten Ausleihen beschlagnahmen lassen. Beamte des Landeskriminalamtes Hannover sind gekommen, bestätigt die Leiterin der Stadtbibliothek, Barbara Lison-Ziessow, eine Beschlagnahmeverfügung der Bundesanwaltschaft in der Hand, und nahmen die Mikrofilme mit – ca. eine Million Daten darüber, welcher Bremer wann welches Buch ausgeliehen bekommen hat. Später seien die Filme zurückgegeben worden.

Der Vorgang hat damals intern für Aufregung gesorgt. Lison-Ziessow schaltete sofort den Datenschutzbeauftragten ein, und der forderte die Herausgabe der Daten, weil er die Beschlagnahme für unverhältnismäßig hielt. Da aber das niedersächsische LKA die Aktion durchgeführt hatte, war der niedersächsische Datenschutzbeauftragte zuständig, und der hielt die Sache für „vertretbar“; weil ein Beschluß des Bundesgerichtshofes vorgelegen habe, könne die Beschlagnahme höchstens per Gericht angefochten werden. Dies aber ist im Nachhinein nur möglich, wenn „Wiederholungsgefahr“ besteht.

Hintergrund der Beschlagnahme ist ein Verfahren gegen zwei junge Männer aus dem Aachener Raum, denen die Mitgliedschaft in „Antiimperialistischen Zellen“ vorgeworfen wird; konkret sollen sie zu tun haben mit dem Anschlag auf das Haus des früheren Staatssekretärs für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Volkmar Köhler, in Wolfsburg. Über das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, das seit anderthalb Jahren gegen die beiden läuft, ist die Beschlagnahme zufällig bekannt geworden.

In dem Verfahren spielt die Sache aber keine Rolle, versichert die Sprecherin des OLG Düsseldorf, da das Ergebnis „gleich null“ war. Die Ausdrucksweiseder Attentäter in einem Bekennerschreiben soll teilweise dem Buch „Wind, Sand und Mercedes-Stern“ entsprochen haben, erklärt das Landeskrimi-nalamt. Das Buch befaßt sich mit der westsaharischen Befreiungsbewe-gung, Köhler war damals Vorsitzender der Deutsch-Marockanischen Freundschafts-gesellschaft. Da es sich um ein seltenes Buch gehandelt hat, so die OLG-Sprecherin, hätten die Fahnder bundesweit nachgefragt, in welchen öffentlich zugänglichen Bibliotheken es sich befinde – und seien eben auf die Stadtbibliothek Bremen gestoßen, unter anderem. Die Auswertung der Bibliotheks-Daten habe ergeben, daß das Buch zweimal ausgeliehen worden war, die Überprüfung der beiden Ausleiher ergab, daß sie nichts mit der linksradikalen Szene zu tun hätten.

Die Daten über die Ausleihe mußten damals so lange gespeichert werden, erklärt die Leiterin der Stadtbibliothek, weil bei einzelnen Bücher der Leih-Vorgang so lange dauerte – in einzelnen Fällen gibt es sogar gerichtliche Auseinandersetzungen über verschwundene Bücher. Nach der alten Technik konnte die Bibliothek nur den ganzen Mikrofilm aufbewahren, wenn sie eine Ausleihe nachweisen wollte. Seit der Umstellung auf EDV-Verbuchung vor zwei Jahren werde jeder Ausleih-Vorgang sofort gelöscht, wenn das Buch wieder zurück im Bestand ist. Das Bundeskriminalamt könnte unter heutigen Bedingungen also keine Ausleih-Daten mehr beschlagnahmen.

Von der „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ könne bei dem damaligen Vorgang keine Rede sein, kritisiert der Hannoveraner Professor für Kommunikation, Rolf Hüper. Aus den Datensätzen könnten mühelos Benutzerprofile einer großen Zahl völlig unbeteiligter Bibliotheksbenutzer erstellt werden.

K.W.

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