: Grüne Spitze haßt den Krieg und liebt Fischer
■ Grüner Bundesvorstand unterstützt den Kurs von Außenminister Joschka Fischer, kritisiert aber die Nato. Ströbele will dennoch Gegenantrag für Stopp der Angriffe stellen
Bonn (taz) – Zwei Wochen vor dem Bundesparteitag der Grünen zeichnet sich ab, daß dort die zentrale Auseinandersetzung um die Frage der sofortigen Einstellung der Luftangriffe geführt werden wird. Wenn die Delegierten sich am 13. Mai in Hagen versammeln, werden ihnen zwei Positionen präsentiert werden. Die eine wurde gestern vom Bundesvorstand in zehn Eckpunkten für einen Leitantrag zusammengefaßt. Darin betont das Spitzengremium der Partei, daß die Entscheidung der Bundesregierung für einen militärischen Angriff der Nato in Jugoslawien „für viele von uns eine persönliche Glaubwürdigkeits- und Zerreißprobe“ bedeutet. Die Nato wird kritisiert, daß sie „zum Teil aus militärischer Logik heraus politische und diplomatische Chancen nicht austestet, die in einer politisch klugen Begrenzung der Luftangriffe auf bestimmte Ziele oder Regionen oder in zeitweiliger, konkret begründeter und befristeter Aussetzung von Luftangriffen liegen könnten“. Der Bundesvorstand hält es für sinnvoll, „einige Tage die Luftangriffe einseitig auszusetzen“ und in dieser Zeit Hilfsgüter für die Flüchtlinge im Kosovo abzuwerfen.
Diese Position ist jedoch für den Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele „kein Grund, unsere Arbeit an einem eigenen Antrag einzustellen“. Ströbele nannte als Kernpunkt der eigenen Position den sofortigen Stopp der Luftangriffe. Auch für seine Kollegin Annelie Buntenbach ist die Einstellung der Bombardierung das „sachliche Minimum“ dessen, was auf dem Bundesparteitag beschlossen werden soll. Diese Forderung dürfe sich nicht mit einer nächsten Eskalationsstufe verbinden. Eine Aufrechterhaltung des Drohszenarios, wie es der Plan von Außenminister Fischer vorsehe, werde nicht helfen.
Demgegenüber geht der Bundesvorstand davon aus, daß bei einem Verzicht auf militärischen Druck auf die serbische Seite die Rückführung der Flüchtlinge nicht erreichbar ist. Deshalb unterstützt er den Fischer-Plan und wendet sich gegen die Haltung des Teils des linken Babelsberger Kreises, für den Buntenbach und Ströbele sprechen: „Wir lehnen alles ab, was geeignet wäre, die Chancen dieses Friedenskonzeptes zu verringern“, heißt es in dem Papier des Vorstands. Deshalb teile er nicht die Forderung nach einem generellen, bedingungslosen, einseitigen Ende der Nato-Aktionen.
Noch bei einem weiteren Punkt ergibt sich eine Differenz zwischen den beiden Positionen. Während der Bundesvorstand für die Friedenssicherung eine „robuste Friedenstruppe“ nach Kapitel VII UN- Charta für erforderlich hält, lehnt dies Buntenbach ab. Sie akzeptiert lediglich einen Blauhelmeinsatz nach Kapitel VI, „in dem die Nato nicht die tragende Rolle spielt“. Denn die Nato sei Teil der kriegerischen Handlungen. Zudem sollen nach Buntenbachs Vorstellungen beide Konfliktparteien der Friedenstruppe zustimmen. Dieter Rulff Kommentar Seite 13
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