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Diepgen rennt, Fugmann fliegt

■  Weil Eberhard Diepgen auf der Bundestagssitzung zum Holocaust-Mahnmal keine Konkurrenz wollte, hat er Finanzsenatorin Fugmann-Heesing eine Dienstreise verweigert

Frage: Was unterscheidet den Senat von einer x-beliebigen Wohngemeinschaft? Antwort: Nichts! Wenn es ums Rederecht geht, hört der Spaß auf. Auch für Eberhard Diepgen.

Weil der Regierende Bürgermeister auf der heutigen Debatte des Bundestags zum Holocaust-Mahnmal keine anderen Berliner Redner neben sich dulden will, hat seine Senatskanzlei ein Machtwort gesprochen. Ein Antrag von SPD-Senatorin Annette Fugmann-Heesing für eine Dienstreise zur selben Bundestagssitzung wurde kurzerhand abgelehnt. Begründung: „Die Kostenübernahme durch die Senatskanzlei kann nicht erfolgen, da Herr Regierender Bürgermeister die Sitzung des Bundestags wahrnimmt, mithin also kein Vertretungsfall vorliegt.“

Seitdem herrscht allenthalben Aufregung am Küchentisch der Großen Koalitionsgemeinschaft. Kaum war die Dienstreisenposse an die Öffentlichkeit geraten, bemühte sich die Senatskanzlei um ein Dementi: Der Vorwurf der Verweigerung der Fugmann-Heesing-Reise, ließ der Chef der Senatskanzlei, Volker Kähne, erklären, sei „schlicht falsch“. Wenn Fugmann-Heesing als Finanzsenatorin nach Bonn reise, gebe es auch keinen Anlaß, ihr eine Dienstreise als Vertreterin des Regierenden Bürgermeisters zu genehmigen.

Just diese Frage ist es aber, die der Posse zugrunde liegt. Fugmann-Heesing will in Bonn nämlich gar nicht als Finanzsenatorin die SPD-Position im Senat in Sachen Holocaust-Mahnmal vortragen, sondern als Berliner Bürgermeisterin.

Und nur als solche ist sie automatisch auch Mitglied des Bundesrates und genießt damit Rederecht vor dem Bundestag. Da aber für das Amt der Bürgermeisterin kein Reisekostenetat vorgesehen ist, habe sie bei der zuständigen Senatskanzlei die Dienstreise beantragt. In Senatskreisen wurde die Ablehnung der Fugmann-Reise gestern als „Brüskierung“ gewertet, die den Eindruck erwecken könnte, als wolle Diepgen seiner Stellvertreterin einen Maulkorb verhängen. Das etwas plumpe Bremsmanöver der Senatskanzlei könnte deshalb politisch durchaus teuer werden.

Finanziell allerdings handelt es sich bei der verweigerten Dienstreise um einen Betrag, der selbst in Bonn als „geringfügig“ definiert wird: Es geht um 650 Mark. Da ist selbst die Miete einer Wohngemeinschaft teurer. Uwe Rada

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