■ Die KFOR und der neue Streit zwischen Rußland und der Nato: Taschenspielertricks und Rache
In sengender Hitze wartete Rußlands Kontingent zur Kosovo-Schutztuppe KFOR auf den Abtransport, als in letzter Minute Bulgaren, Rumänen und Ungarn die Überflugrechte verweigern. Für Moskau ist das doppelt schmerzlich: Immerhin handelt es sich um ehemalige Bruderstaaten, die – friedlich in die Freiheit entlassen – den Kreml nun unter Schirmherrschaft der Nato piesacken. Was wird hier eigentlich gespielt ? Sind die Russen nun wieder mit an Bord, wie es auf dem G-8-Gipfel in Köln hieß? Oder steckt hinter der Eintracht nur ein Trick, um den Russen ihr Kosakenstückchen in Priština in gleicher Münze heimzuzahlen? Hat die mächtigste Militärallianz der Welt es nötig, ihr Selbstbewußtsein mit kleinlichen Rachegelüsten zu untermauern?
Das Nato-Argument, einige technische Details seien noch nicht endgültig geklärt, ist fadenscheinig. Immerhin haben beide Seiten in Helsinki tagelang über nichts anderes verhandelt als über hochbrisante und prekäre Einzelheiten. Die russische Teilnahme stellte den Westen von vorneherein vor das Problem, einen ungebetenen Gast halbwegs anständig zu bewirten. Daß die Russen versuchen würden, einige Absprachen nachzubessern, hätte die Nato voraussehen können. Moskaus Widerwillen, sich der westlichen Kommandostruktur unterzuordnen, stellte schließlich von Anfang an das heiße Eisen in den Verhandlungen dar. Überdies wußte man seit Priština, daß Kremlführung und Militärs sich im Zweifelsfall auf eine eigene Rechtsauslegung berufen – ähnlich wie der Westen übrigens, der sich mit dem UN-Sicherheitsratsbeschluß ausdrücklich auf eine russische Beteiligung an der KFOR eingelassen hat. Nach der schmerzlichen Erkenntnis, daß es ohne Moskau in Jugoslawien offenbar nicht geht.
Das kleinliche Pokern steht der westlichen Gemeinschaft, die im Kosovo im Namen der Humanität und Menschenrechte antrat, schlecht zu Gesicht. Ihre Glaubwürdigkeit nimmt beim einfachen russischen Bürger weiteren Schaden. Die Demütigung der in der Hitze auf dem Rollfeld brütenden Soldaten ist es, die in den Köpfen haftenbleibt. Besonders bedauerlich ist dieser Vorfall, nachdem Kremlchef Boris Jelzin gerade am Vortag den heißgelaufenen Militärs zu verstehen gegeben hatte, die eigentliche Sicherheitsbedrohung sei nach wie vor im Inneren des Landes zu suchen. Damit bewies er nicht nur Realitätssinn, sondern dämpfte auch die Flausen in denjenigen Köpfen, die das Heil des Staates in seiner räumlichen Dimension gewahren. Klaus-Helge Donath
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