: Kitas befürchten Fast Food
■ Angst vor Spardiktat: Evangelische Kindergärten gegen „Kübelessen“ / Richtige KöchInnen sollen weiter knackige Kohlrabi für die Kinder kochen
Das Wibera-Gutachten über Einsparungsmöglichkeiten im Kindergartenbereich liegt Brigitte Zapel schwer im Magen. Von der Studie, die in zwei Wochen veröffentlicht wird, fürchtet die Vertreterin des Landesverbands Evangelischer Kindertageseinrichtungen drastische Einsparungen für die Küchen der Kitas. Noch gibt es in 39 Kitas der Evangelischen Kirchen Küchenkräfte, die selbst kochen. Und das ist erheblich teurer als ein Bringedienst fürs „Kübelessen“. Bei Kürzungen wären die Küchen-Arbeitsplätze gefährdet.
Gerade noch haben 16 KöchInnen evangelischer Kitas einen Qualifizierungskurs beim Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BiPS) absolviert. Die Ernährungsmedizinerin Heidegret Bosche vom BiPS hat sie richtig fit gemacht in Sachen gesunder Kinderernährung.
In vielen Bundesländern dagegen ist das Fertigmenü bereits alltägliche Praxis. „Die beneiden uns schon ein bißchen um die guten Strukturen, die wir hier noch haben“, weiß Bosche. Mehr noch: die Qualitätssicherung, die das BiPS schon früher zusammen mit städtischen Kindertagesstätten erarbeitet hatte, wird anderswo als „Bremer Modell“ gelobt. „Viele gehen mittlerweile wieder davon ab, Fertigmenüs zu bestellen.“
Das „Kübelessen“ sei zwar billiger, verloren gehe aber eine Erziehung zur gesunden Lebensweise: „Die jetzige Elterngeneration ist mit Fast Food aufgewachsen. Da wird kaum noch gekocht“, plädieren Bosche und Zapel für eine Rückbesinnung auf eine andere Eßkultur. Das wollen auch die KöchInnen: „Anonymes Essen schmeckt nicht“, sagen sie. Und erinnern an die Begeisterung der Kids, wenn es wieder duftet.
Bei ihnen können die Kinder noch Extrawünsche anmelden. Und auch auf Lebensmittelallergien der Kinder nehmen sie Rücksicht. „Oft können vier bis fünf Kinder pro Gruppe nicht alles essen. Eine Großküche kann unmöglich darauf eingehen“, so Zapel.
Noch werden in den evangelischen Tageseinrichtungen 2.600 Kinder bekocht. Der Kostenpunkt für die Mahlzeiten liegt pro Kind momentan zwischen sechs und neun Mark. „Am teuersten davon sind die Personalkosten. Der Naturalsatz macht gerade 2,40 Mark pro Kind aus,“ erklärt Zapel. Sie vermutet, daß das Wibera-Gutachten einen Komplettpreis für Personal- und Naturalkosten ansetzen wird. „Wenn der bei 4,50 Mark liegt – das wäre fatal.“
Heidegret Bosche geht es vor allem um Aufklärung und Prävention. „Die Kinder können beim Kochen im Kindergarten eine Menge lernen: Woher kommt das, was auf dem Tisch steht. Was passiert mit den Lebensmitteln.“ Die Ernährungsmedizinische Beraterin des BiPS will dem Verlust von Kochkenntnissen in Zeiten von Fast Food und Tiefkühlküche schon im Kita-Alter begegnen.
Wenn die Studie am 21. Juli vorgestellt wird, wird sich für die Erzieher und Köche einiges klären. „Es kann nicht alles nach Rentabilität und nach wirtschaftlichen Aspekten gehen“, fordert Zapel. Noch hofft sie, daß die politische Umsetzung der gefürchteten Studie ganz anders ausfällt. Wenn nicht, wollen die Kitas alles daran setzten, ihre Küchen zu erhalten: „Dann wird es Krach geben.“ pipe
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