■ Prêt-à-porter: Ein schicker Panzer und ein MG. Oder: Warum Frauen die Freiheit haben sollten, zur Bundeswehr zu gehen: Die Rüstungsspirale des Feminismus
Und nun will Tanja Kreil zur Bundeswehr. Per Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Keine Dampfwalze, kein Mannweib, ein Mädchen mit Blumenkleid und Dickschädel. In den Kopf gesetzt hat sie sich, Waffensysteme zu reparieren. Frauen waren in der Nähe von Panzern bis jetzt ja eigentlich nur als Pin-ups oder Kosenamen für Granaten vorgesehen.
Aber wer will sich ihr eigentlich noch entgegenstellen?
Der Grundgesetzartikel, hinter dem sich die Abgeordneten aller Parteien noch verstecken, wurde begründet mit der „Natur und Bestimmung der Frau“. „Bestimmen“ tun die Frauen schon lange selbst, über ihre „Natur“ rätseln sie auch lieber ohne staatlichen Vormund. Die Argumente der Gegner von Frauen mit Waffen werden immer dünner. Frauen seien zu schwach, sagt SPD-Verteidigungssprecher Peter Zumkley. Der Ex-Oberst vergisst dabei, dass es Tauglichkeitsgrade gibt, dass es schwache Männer und starke Frauen gibt, dass nicht alle schwachen Männer aus der Bundeswehr ausgemustert werden, dass es Jobs mit wenig Körpereinsatz gibt – auch an der Waffe. Und dass Sanitäterinnen des Öfteren die Rucksäcke ihrer Kameraden vom 30-Kilometer-Marsch nach Hause tragen.
Andere Gründe wissen sie nicht mehr zu nennen. Denn dass man Frauen vor irgendetwas zu „bewahren“ hätte, in das sie blindlings wie kleine Kinder hineinrennen, kann heute niemand mehr im Ernst behaupten wollen. JedeR darf sich sein oder ihr eigenes Grab schaufeln, so gut er oder sie kann. Das Töten und das Sterben an sich verdrängen übrigens unter den RekrutInnen die Männer genauso wie die Frauen. Und viele von denen, die sagen, sie könnten sich eine Frau in vorderster Gefechtslinie „einfach nicht vorstellen“, unterliegen wohl eher der alten psychologischen Mechanik der Projektion: Wer stellt sich schon gerne sich selbst verblutend vor. Die Angst abspalten und auf Frauen projizieren war schon immer bewährtes Mittel der Männer gegen ihr eigenes Gefühl.
Ohne es zu wollen, haben diese Projektion auch die Friedensforscherinnen unter den Feministinnen bedient. Die die Frauen nicht in der Bundeswehr haben wollten. Die eine Utopie kannten. Zwar war darin die bedingungslos friedfertige Weiblichkeit genauso aufgelöst wie das Bild des Kriegers für den Mann: Ein Drittes sollte entstehen, in dem die Menschen mit ihren Aggressionen umzugehen gelernt haben, ohne zu kuschen und ohne zuzuschlagen. Aber diese Utopie sollten die Frauen in die Gesellschaft tragen, die den Waffendienst deshalb prinzipiell ablehnen. Reste davon finden sich bei den Grünen, nur bevormunden wollen sie Frauen wie Tanja Kreil deshalb nicht mehr.
Die eine Hälfte des Weges zu jener Utopie sind Frauen längst gegangen. Die friedfertige Weiblichkeit als bessere Hälfte, als Verweis auf die verlorene Natur des Mannes, der sich ja auch immer unter Qualen individuiert (und auch nicht gerne stirbt), haben sie in all ihrer Bewegung schon lange verlassen. Sie sind „männlicher“ geworden, manche noch mit heimlichem Erschrecken vor der schnöden Verdinglichung in der Männerwelt. Sie greifen nicht mehr mit spitzen Fingern zu, sondern mit der ganzen Hand. Einige werden jetzt Ingenieurin. Der Feminismus ist pragmatisch geworden, er huldigt der Gleichheit und sieht Frauen gelassen schießen. Ein Nebenprodukt sind Frauen, die ebenso perfekte, langweilige Maschinenmenschen werden, wie es viele Männer schon lange sind. Die Feministinnen stehen ein bisschen fassungslos vor manchen ihrer Schülerinnen, die statt wild und mutig nur strebsam und taktierend geworden sind. Und jetzt auch noch zum Bund wollen. Kampf ist die Welt, haben die coolen Mädels von heute begriffen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt: Die Bundeswehr hat Ausbildungsplätze zu bieten plus großzügig besoldeter Studiengänge. So blöde sind die Frauen nicht mehr, einen der größten Arbeitgeber rechts liegen zu lassen. Und Kampf ist die Welt: also hinein in die „Mega-Männlichkeitsmaschine“ Militär.
Aber auch, weil sie das Soldatsein mögen. „Das Militärische hat mich gereizt“, gestand eine der Emma. Ja, der Held ist wieder in. In den Zeiten, in denen Frauen Männer nicht mehr nur anhimmeln, sondern sich mit ihnen identifizieren und auch Chefin und Bundespräsidentin werden wollen, ist auch die Heldin in. Frauen wollen nicht mehr anders sein, keinen Utopierest in die Dominanzkultur der Männerwelt bringen, sie wollen gleich sein. Nicht mehr das blöde blonde Mädel an der Seite von James Bond, sondern Jane Bond, Tank Girl, Lara Croft, Killerin. Böses Mädchen, das ist schick.
Leider ist nämlich „das Männliche“, das doch auch aufgeweicht werden sollte, immer noch da, hat sich kaum verändert. Hat sich nicht in gleicher Weise auf den utopischen Weg gemacht mittels Blauhelmen und Weltfrieden. Sondern ist nach kurzem Anlauf steckengeblieben. In Srebrenica, zum Beispiel, oder in Somalia.
Da heißt es pragmatisch bleiben: Warum also sollen Männer allein das Privileg des Tötens ausüben dürfen? Getötet werden Frauen und Männer – da sind in modernen Kriegen schon lange alle gleich: ZivilistInnen, SanitäterInnen, Soldaten. Ob die Männer den Krieg einst erfanden, weil der Ackerbau der Frauen die Jagd verdrängte und sie arbeits- und machtlos zu werden drohten, das ahnt allein die Matriarchatsforschung. Der Umgang mit Waffen war und ist auf jeden Fall Produkt und Sicherung der männlichen Dominanzkultur. Greifen Frauen zu Waffen, greifen sie das Patriarchat mit seinen eigenen Mitteln an.
Was ist aber aus dem Bild von der friedlichen und gleichberechtigten Gesellschaft geworden, das früher Feministinnen und PazifistInnen einte? Der Traum vom Frieden ist mittlerweile schwer lädiert. Seit dem Pazifismus unter „humanitären“ Kampfeinsätzen das antimilitaristische Fundament zerbröselt, klingen solche Stimmen seltsam fremd.
Ihre Überzeugungen bildeten sie in den achtziger Jahren, als die Fronten glasklar waren, das Verteidigungskonzept ebenso simpel wie hochgefährlich, die Ideologien so verkalkt und abgehoben, dass man sich wirklich vorstellen konnte, was Spontis an die Wände sprühten: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Mit der Zerfaserung des Kalten Krieges ist nichts mehr so einfach, wie es schien. Der Sturm der serbischen Armee auf die Enklave Srebrenica, die die Blauhelme nicht schützen konnten, fegte auch den deutschen Pazifismus über den Haufen. Ab da sprachen sich immer mehr Grüne für bewaffnete Einsätze für den Frieden aus. Fakten wurden geschaffen, bevor noch ein Pazifist „peace“ sagen konnte. Angesichts der Massaker im Kosovo klang es fast zynisch, gegen Kampfeinsätze zu sein. Davon hat auch die Bundeswehr profitiert: Sieht doch gar nicht mehr so böse aus, seit deutsche Soldaten Sandsäcke an den Oderdeich schleppten, seit sie Zelte in Kukäs aufbauten und nun, etwas fadenscheinig, die Helden in Prizren machen.
Ist das jetzt das Ergebnis der Emanzipation? Frauen werden immer männlicher, und Krieg ist wieder modern? Im Kosovo schlug die Nato immerhin ohne UNO-Mandat los – und mit deutscher Beteiligung. Dabei waren auch 50 Frauen. Als Sanitäterinnen. Noch.
Feministinnen blicken entsetzt ihren Töchtern hinterher – die mit dem Panzer von dannen rasseln. Aber ist es tatsächlich nur so, dass Frauen jetzt jeden Blödsinn nachmachen, den Männer vormachten?
Nein, Antimilitarismus und Konfliktprävention sind nicht völlig in den Hintergrund getreten, nur weil plötzlich konkrete militärische und humanitäre Probleme zu lösen sind. Neben dem Dominanzdenken der Nato stehen immer noch Ansätze wie das Blauhelmkonzept der UNO. Die sind nicht vergessen, auch wenn die ersten Einsätze danebengegangen sind. Pazifismus ist unbequemer geworden, wie die Frauen aus der Strickstube muss er aus der Kuschelecke hinaus in die schnöde Welt und sogar über Waffen nachdenken. Die alte feministische Utopie ist deshalb nicht falsch geworden. Nur:
Die Idee von der gebändigten Aggression ist nicht mehr bei den friedfertigen Frauen aufbewahrt. Tanja Kreil will einen aufregenden Job. Und eigentlich ist es gut, dass nicht mehr ein Geschlecht fürs Pflegen, Weinen und Lieben zuständig ist. Nun sind die tough guys auf sich selbst zurückgeworfen. Solange die in der Nato aber nur weiter über Dominanz und Hegemonie nachdenken, so lange muss die schöne Idee der Feministinnen wohl im Zinksarg überwintern. Heide Oestreich
JedeR darf sich das eigene Grab schaufeln, so gut er oder sie kannFeministinnen blicken entsetzt auf ihre Töchter, die in Panzern davonrasseln
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