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Tote Bausubstanz in der City

■ Das historische Postamt I an der Domsheide, 1875 als Inkarnation preußischer Verwaltung gebaut, steht in den oberen Etagen leer / Pomp erschwert Verwertung

Die Geschichte der großen Bremer Postgebäude ist auch ein Stück der Bau-Geschichte einer Stadt. An zentralen Stellen der Stadt stehen große, repräsentative Gründerzeit-Gebäude, die einmal die Zentralen des Post-Verkehrs waren, leer: das frühere Post - und spätere Telekom-Gebäude in der Langenstraße, das Postamt V am Bahnhof und inzwischen auch das zentrale Postamt I an der Domsheide.

In der Parterre-Etage sieht man es kaum, dort sind die Postfächer und eine große Schalterhalle untergebracht. Aber in den oberen Etagen stehen die meisten Räume leer, nur noch die Bezirksleitung der Postfilialen und die 150 Briefzu-steller, die jeden Morgen ihre Fahrräder bepacken müssen, füllen das große Gebäude noch mit Leben. Was aus dem Komplex einmal werden, soll, ist noch nicht klar, sagt der Bremer Pressesprecher der Post-AG. Unter rein kaufmännischen Gesichtspunkten kommt der Leerstand die Post sehr teuer. In der Parterre-Etage soll die Filiale erhalten bleiben, demnächst steht sogar eine Modernisierung an. Für die oberen Etagen aber gibt es derzeit „keine konkreten Vorstellungen“.

Daß eine Immobilie in bester City-Lage direkt an einem Knotenpunkt des Straßenbahnnetzes nicht besser verwertet werden kann, liegt auch an der historischen Bausubstanz. Ein ebenerdiger Zugang zur Parterre-Etage scheint kaum möglich, ohne in die barocke Fassade („Neorennaissance-Stil“) einzugreifen, die unter Denkmalschutz steht. Für eine Laden-Zeile ist das ein fast unüberwindliches Hindernis. Im Inneren des Gebäudekomplexes gibt es einen historischen Lichthof und einen in den 70er Jahren unter tätiger Hilfe der staatlichen Denkmalschützer restaurierten „Kaisersaal“, beides sind Hypotheken für eine Entkernung und Modernisierung der alten Bausubstanz. Aus ihren Erfahrungen mit dem Postamt am Bahnhof hat die Deutsche Post-AG offenbar die Lehre gezogen, daß die kommerzielle Nutzung der leerstehenden Flächen an der Domsheide ein Ding ist, das keine Priorität hat, weil es so oder so seine Weile haben wird.

Die großen Repräsenativ-Bauten in Bremen sind Dokumente der Verstaatlichung des Postwesens im Bismarck-Reich. Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es vier verschiedene Postanstalten: Das Bremer Stadtpostamt und das Preußische Postamt waren im Stadthaus am Domshof untergebracht, die Hannoversche Post residierte in der Dechanatstraße und das Thum- und Taxische Postamt in der Obernstraße 63. Das Preußische Postamt übernahm die anderen Postämter, zuletzt 1868 auch das Bremische. Das lokale Postwesen wurde später der Reichsverwaltung unterstellt.

Dort, wo heute das Postamt steht, befand sich damals eine Hauptschule, in der Dechanatstraße hundert Meter weiter die Post. Durch einen Grundstückstausch wurde 1869 der Neubau des Postamtes an der Domsheide ermöglicht, an der Dechanatstraße wurde das Schulgebäude errichtet.

Der Bremer Senat hatte großen Wert darauf gelegt, daß der vom Reich geplante repräsenative Neubau „in der Nähe der Börse errichtet“ würde. 1,89 Millionen Mark bewilligte der Reichstag für den Bau, 1875 wurde der Grundstein gelegt. „Kaiserliche Oberpostdirection“ stand über dem Portal in Stein gehauen. Bei der Einweihung 1878 war der „Andrang so stark und das Benehmen so rücksichtslos“, schrieben die Bremer Nachrichten damals, „dass Zimmer, die anfänglich zur Besichtigung geöffnet waren, schließlich geschlossen werden mußten“. 1896 wurde der Lichthof in eine Schalterhalle mit Glasdach umgebaut. Im zweiten Obergeschoß befand sich die Dienstwohnung des Bremer Oberpostdirektors und für Repräsentationszwecke der „Kaisersaal“.

Auch für diesen wie eine Kirche barock und fast kitschig überladenen Raum, der in den 70er Jahren restauriert wurde, gibt es kaum noch Verwendung. Am Tag des Denkmalschutzes wird er für Neugierige geöffnet – eine versteckte touristische Attraktion, tote Bausubstanz an einem der meistfrequentierten Plätze Bremens. K.W.

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