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■ Israels oberstes Gericht verbietet die FolterEin bahnbrechendes Urteil

Der Richterspruch ist ein Meilenstein auf dem Weg der Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern: Er verbietet es, Palästinenser als „Untermenschen“ zu betrachten und zu behandeln. Palästinenser sind nicht mehr Freiwild in den Händen von brutalisierten oder rachedurstigen Verhörbeamten. Sie sind Menschen mit Rechten, gleichen Rechten. Selbst der Hamas-Bombenbauer Jahja Ajasch würde, wenn er noch lebte, nach diesem Urteil nicht schlechter behandelt werden dürfen als Jigal Amir, der Mörder von Jitzhak Rabin.

Israel kehrt in die Zivilisation zurück. Die Folter von Gefangenen ist verboten. Ein Sieg des Rechtsstaates über den Geheimdienst. Ein Sieg all der Menschenrechtsorganisationen, die mehr als zehn Jahre lang mit Geduld und Zähigkeit an einem solchen Urteil gearbeitet haben. Und ein später Sieg für tausende palästinensische Gefangene, die in den vergangenen Jahrzehnten unendliches Leid erfahren haben.

Verboten ist es jetzt, Gefangenen den Schlaf zu entziehen, ihnen einen uringetränkten Sack über den Kopf zu stülpen, sie in schmerzhaften und erniedrigenden Haltungen zu fesseln, sie an den Armen oder Beinen aufzuhängen, sie mit kaltem Wasser abzuspritzen, sie bis zur Bewusstlosigkeit zu „schütteln“, oft verbunden mit kräftigen Schlägen – Verhörmethoden, die seit 1987 staatlich zugelassen waren. Zwar hatte die Knesset nie ein Gesetz erlassen, das Gewalt gegen Gefangene erlaubt. Sicher, noch jede israelische Regierung war sich bewusst, dass diese Verhörmethoden laut internationalem Gesetz verboten sind. Doch erst jetzt wurde der Folter jeder Schein von „Semilegalität“ genommen. Und das ist zuallererst das Verdienst der Menschenrechtsorganisationen, aber auch des neunköpfigen Richtergremiums, das den mutigen Spruch einstimmig gefällt hat.

Der Shin Bet, Israels Inlandsgeheimdienst, hatte in diesem langwierigen Verfahren angeführt, gefangene Palästinenser seien nur mit „sanften“ Methoden der Gewalt zum Sprechen zu zwingen. Nur so habe der Geheimdienst Informationen über einen bevorstehenden Terroranschlag gewinnen und damit das Leben unschuldiger Israelis und auch Palästinenser retten können. Doch ob ein Gefangener über solche Informationen überhaupt verfügt, das konnte auch der israelische Geheimdienst vorab kaum sagen. Und so wurde fast jeder in der Haft gefoltert, misshandelt oder drangsaliert, als potenzieller Terrorist eben. Dem hat das oberste Gericht einen Riegel vorgeschoben. Endlich. Georg Baltissen

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