■ Zwei verlorene Landtagswahlen hat der Kanzler jetzt hinter sich, und bereits am Wochenende droht in Thüringen und Nordrhein-Westfalen ein neues Debakel. An seinem Sparpaket will Schröder dennoch nicht rütteln, auch wenn die Linke erneut dagegen Sturm läuft. Stattdessen soll nun der neue Generalsekretär Franz Müntefering die Genossen auf Linie bringen: Die Parole heißt: „Durchhalten!“
„Die Lage ist wirklich sehr ernst“, urteilte kurz und knapp der SPD-Bundestagsabgeordnete nach dem katastrophalen Wahlerergebnis für die Sozialdemokraten in Brandenburg und im Saarland am Morgen danach. „Die Zeiten sind vorbei, wo ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung und Stimmung Politik gemacht werden konnte“, sagt der Sozialdemokrat, der dies aber lieber anonym tut. Die Wahlen am Sonntag machen deutlich, dass die Leute nicht länger gewillt sind, das Hickhack der Schröder-Regierung mitzutragen. Nun zeigen falsche Personalentscheidungen und der plötzliche Richtungswechsel in der Haushalts- und Finanzpolitik nach dem Rücktritt von Oskar Lafontaine ihre Auswirkungen.
Vor den Folgen dieser Politik fürchten sich nach der Niederlage vor allem die Genossen an Rhein und Ruhr. Dort sind nicht nur am kommenden Sonntag Kommunalwahlen, bei der so manche SPD-Hochburg zu kippen droht, sondern im Frühjahr nächsten Jahres auch Landtagswahlen – eine Wahl, die Schröder mit seiner Partei gewinnen muss. .„Was die Leute an der Basis im Moment so verrückt macht, ist, dass bei Schröder kein politisches Konzept zu erkennen ist“, schimpft einer der Bundesparlamentarier aus NRW.
Er steht mit seiner Kritik nicht allein. So mancher sieht in der Selbstdarstellung des Kanzlers eine Hauptursache für das Desaster. Nach dem Motto, wer sich vorzugsweise in Kaschmir und mit Havannazigarre präsentiert, kann nur schwer harte Sparpolitik vermitteln.
Die Hoffnung vieler ruht nun auf dem designierten SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. „Er kann richtig vermitteln, was man machen muss und soll“, heißt es. „Je früher Müntefering sein Amt antritt, umso besser“, meint auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz. Der NRW-Politiker hofft, dass mit der Benennung Münteferings „ein Ruck durch die Partei geht“. Schließlich seien „die Arbeitsergebnisse der Bundesregierung ja nicht so schlecht wie die Stimmung im Land“.
Doch bei allem Hoffen auf Müntefering steht der nächste Ärger schon ins Haus. Denn der von Müntefering als Bundesgeschäftsführer vorgesehene Mathias Machnig ist in der SPD heftig umstritten. Selbst wenn er sich mit Auftritten in der Öffentlichkeit zurückhalten sollte und so lediglich als Mitarbeiter des Generalsekretärs wahrgenommen würde.
Kanzler Schröder ist es mit seinem Auftritt am Sonntagabend offensichtlich nicht gelungen, die Genossen von der Effizienz seiner Politik zu überzeugen. Den Rücken steif, stand er stramm vor den laufenden Fernsehkameras und beharrte mit geballten Fäusten auf der Sparpolitik der Regierung: „Dazu gibt es keine Alternative. Wir werden diesen Kurs durchhalten.“ Was anderes konnte er letztlich auch nicht sagen. Hat er im Vorfeld der Wahlen doch immer wieder betont, dass er an dem „Zukunftsprogramm“ von Finanzminister Hans Eichel und der Rentenpolitik von Arbeitsminister Walter Riester trotz aller Kritik festhalten werde.
Aber kann man wirklich gegen den Wählerwillen regieren? Die Linken in der Partei jedenfalls machen weiterhin gegen das Sparpaket mobil und haben die Bundesregierung aufgefordert, sich noch vor der Abstimmung über den Bundeshaushalt 2000 auf eine Vermögensbesteuerung festzulegen. Der stellvertretende ParteivorsitzendeMichael Müller plädierte gegenüber der taz dafür, dass „die soziale Dimension der Politik wieder deutlicher in den Vordergrund geschoben wird“. Dabei will er das Sparpaket der Regierung an sich nicht in Frage stellen, „aber wir sagen, dass in diesem Rahmen andere Schwerpunkte gesetzt werden müssen“.
Der Sprecher der Linken, Detlev von Larcher, hat den Bundeskanzler im Streit um das Sparpaket zu einem Kompromiss aufgerufen. „Diejenigen in unserer Bundestagsfraktion, die das Paket für ergänzungsbedürftig halten, und diejenigen, die es ungeändert durchsetzen wollen, müssen aufeinander zugehen.“ Die ehemalige Juso-Vorsitzende Andrea Nahles warf Schröder vor, „dass er für die Interessen seiner Regierung die Interessen anderer Teile der SPD und der Länderregierungen vernachlässigt“. Sie zweifelt daran, dass ein dogmatisches Festhalten an den Sparzielen, wie etwa 30 Milliarden Mark im Jahr, aufrechterhalten werden kann.
Je nachdem wie die Kommunalwahlen am Sonntag in Nordrhein-Westfalen und die Landtagswahlen in Thüringen ausgehen, wird sich der Bundeskanzler aber noch mit anderen Kritikern konfrontiert sehen. Sollten die mächtigen NRW-Genossen das Gefühl haben, die Politik der Bundesregierung gefährdet ihre Landtagswahl im Frühjahr 2000, kann Schröder nur hoffen, dass Müntefering als NRW-Vorsitzender und Generalsekretär den Landesverband zu disziplinieren vermag.
Karin Nink, Berlin
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