: Prävention auf Inline-Skates
■ Bremerhavens Polizisten gehen auf Skate-Streife, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen / Beifall und Applaus auch aus den örtlichen Seniorenheimen
Soviel Aufmerksamkeit bekommen Polizisten selten: Wenn Jörg Purainer und Sonja Guttmann auf Streife gehen, ziehen sie Blicke magisch an. Die Leute auf der Parkbank schauen ungläubig, die Kids an der Ampel bleiben stehen, immer wieder gibt es Zurufe, wenn die beiden mit Inline-Skates durch den Bremerhavener Stadtteil Leher-Heide rollen.
Die Bremerhavener Polizisten gehörten zu den ersten in Deutschland, die Streife skaten. Das war vor einem Jahr. Mittlerweile sind bundesweit viele Reviere nachgezogen. Jörg Purainer und Sonja Guttmann sind im Land Bremen immer noch die einzigen – in Bremen ist da noch nichts geplant. Die Bilanz nach einem Jahr Skater-Streife: Die Beamten kriegen über die Skates Kontakt zu den Jugendlichen, machen Verkehrserziehung für die Nachwuchsskater und Öffentlichkeitsarbeit mit Aha-Effekt: Die Polizei auf Rollen. Das nächste Projekt: mit den Skates in den Sportunterricht.
Die Idee kam Jörg Purainer bei einer Nachtstreife. „Das müsste man doch machen können“, sagte er sich und rannte bei Revierleiter Rolf Wilhelm offene Türen ein. Vorher hatte Purainer noch nicht auf Skates gestanden. Anderthalb Monate vor dem Start der Aktion ging es ans Proben. Inkognito, schließlich wollte sich der 39-Jährige nicht in Uniform blamieren. Beim ersten mal, erinnert sich Purainer, „brauchte ich ganz schön Mut“. Denn alle, alle würden gucken. Und ein Sturz wäre alles andere als cool.
Seine Uniform hat Purainer abgelegt: „Die Autorität der Uniform ist weg“, erklärt er, und damit die Hemmschwelle. Auch die Dienstwaffe ist versteckt in der Gürteltasche. Dafür trägt Purainer Schutzpolster an Knie, Handgelenk und Ellbogen, plus Fahrradhelm mit Polizei-Emblem.
Die Resonanz, erzählt Purainer, „war überall nur positiv“. Immer wieder werden die beiden angesprochen. „Thema Nummer Eins natürlich die Skates.“ So kommt man ins Gespräch, findet Kontakt zur Jugendszene, so gibt sich die Polizei jugendnah. Präventionsarbeit heißt das. Selbst Senioren zeigten sich begeistert, als die beiden vor Parkbänken patroullierten.
Geskatet wird, wenn es die Personalstärke erlaubt, zu zweit, zwei oder drei Mal die Woche. Immer nachmittags, wenn die Kids draußen sind. Immer, wenn das Wetter mitspielt. Bei Regen, Eis und Schnee bleiben die Skates im Trockenen.
Leher-Heide hat viele Grünflächen und Parks. Mit Streifenwagen, sagt Revierleiter Rolf Wilhelm, kommt man da sowieso nicht rein. Aber mit Skates. Und auch da könne Sicherheit durch Anwesenheit ein wichtiges Signal an die Bevölkerung sein.
Bankräuber haben die Skater noch nicht gefangen. Das ist zwar nicht unbedingt das Ziel, „könnte aber auch passieren“. Auf Skates sind die beiden schneller. Klar. Aber im Nachteil so bald es über Rasen oder Kopfsteinpflaster, Treppen oder Schotter geht. Die Rollen können Purainer und Guttmann abschnallen und dann hinterher rennen. „Nicht sehr gut, aber immerhin.“ Irgendwann will sich Purainer noch mal in die Halfpipe wagen. Denn bislang konnten sie die aggressiven Skater nicht überzeugen – „die haben sich nur leicht interessiert unsere Ausrüstung angeguckt“.
Gutmann und Purainer skaten langsam. Schneller als sieben Stundenkilometer erlaubt die Straßenverkehrsordnung nicht für „Fußgänger mit Spielgerät“. Schnellere Skater würden sie anhalten. Skater auf der Straße und dem Radweg sowieso. Erlaubt ist nur der Bürgersteig. Für kids mit kompletter Schutzausrüstung gibt es zur Belohnung einen Aufkleber: „Inliner Security“.
Die Wohnblöcke in Leher-Heide West erinnern an Tenever. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Immer wieder gab es Ärger mit Jugendgangs und Alkohol. Dicke Akten über Sachbeschädigung, Wohungseinbrüche. Dagegen, gestehen die Polizisten, können die Skater nichts ausrichten. „Da helfen nur Streetworker.“ pipe
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