: Stadtwerke-Strom demnächst billiger
■ Kompromiss bei der Stromliberalisierung: Der Transport von Energie aus kleinen Kraftwerken könnte finanziell bevorzugt werden
Berlin (taz) – Den Stadtwerken kann geholfen werden. In den Verhandlungen über die Stromliberalisierung zeichnet sich ein Kompromiss ab, der die kommunalen Energiebetriebe schützt, ohne den aufkeimenden Wettbewerb beim Strom allzu sehr einzuschränken. Die grüne Bundestagsfraktion forderte gestern niedrigere Durchleitungsgebühren für elektrische Energie aus den Kraftwerken der Städte. Das würde Strom aus diesen Quellen gegenüber der Energie der Großkonzerne relativ verbilligen und damit einen Kaufanreiz für die VerbraucherInnen darstellen.
Ähnliches schlägt Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) vor. In einem Brief an die SPD-Fraktion spricht sich Müller für „zusätzliche Erleichterungen für dezentrale Anlagen“ aus. Müller zielt damit auf die Verhandlungen um die neue Verbändevereinbarung, die unter anderem den Transport des Stroms aus den Kraftwerken zu den privaten Haushalten regeln soll. Darüber diskutieren gegenwärtig die Verbände der Industrie und der Stromwirtschaft. Besonders die Vereinigung Kommunaler Unternehmen (VKU), die die Stadtwerke vertritt, die Gewerkschaft ÖTV und die SPD-Fraktion fordern die Begünstigung der Städte, damit deren Stromproduktion angesichts der Liberalisierung nicht untergeht.
Während Müller gestern mit der SPD-Fraktion diskutierte, plädierte die grüne Energiespezialistin Michaele Hustedt für „geringere Durchleitungsgebühren für Energie aus Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung“ (KWK). Das sind vornehmlich kleinere Kraftwerke in den Städten, die gleichzeitig Strom und Fernwärme herstellen. Deren Energie ist teilweise teurer als der Saft, den die Energiekonzerne wie RWE oder PreussenElektra aus ihren Großkraftwerken verkaufen. Würden die KWK-Anlagen umstandslos dem neuen Preiskampf der Liberalisierung ausgesetzt, stünden nach Ansicht der ÖTV mehrere zehntausend Jobs auf dem Spiel.
Der Durchleitungspreis macht in Zukunft ungefähr die Hälfte der Kosten aus, den die PrivatverbraucherInnen bezahlen müssen, wenn sie ihren Strom von einem beliebigen Energieversorger beziehen. Hustedt fordert, dass sich die Verbände in ihrer Vereinbarung auf eine Abmilderung der Durchleitungskosten für KWK-Strom um drei bis vier Pfennig einigen. Hustedts Argument: Die dezentralen Kraftwerken sind für den Transport ihrer Energie zu den VerbaucherInnen nicht auf die Hochspannungsleitungen angewiesen, die die großen Hersteller für die Energieverteilung über weite Strecken errichtet haben. Deswegen sollen die Stadtwerke die Instandhaltung dieser Netze auch nicht mitbezahlen müssen, so Hustedt.
Andere Maßnahmen zum Schutz der Stadtwerke sind noch höchst umstritten. Grüne, SPD und Gewerkschaften fordern eine Quote für KWK-Strom. Die würde festlegen, dass jeder Lieferant eine bestimmte Menge Stadtwerke-Strom verkaufen müsste. Außerdem soll der KWK-Strom an einer eigenen Strombörse gehandelt werden, um Druck in Richtung Effizienz und Preissenkung auszuüben. Besonders die Quote jedoch lehnt Wirtschaftsminister Müller als unzulässige Beschränkung des Wettbewerbs ab.
Die Grünen fordern zusätzlich die Novellierung des Stromeinspeisegesetzes noch in diesem Jahr, um Energie aus Kraft-Wärme-Kopplung und umweltfreundlichen Quellen mit einer stabilen finanziellen Förderung auszustatten. Am kommenden Montag tagt der Koalitionsausschuss zwischen SPD und Grünen unter anderem zum Thema „Stromliberalisierung“. Am selben Tag demonstrieren zehntausende Beschäftigte der Stadtwerke in Berlin.
Hannes Koch
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