■ Honorarfragen: Wo schlägt Oskars Herz?
So behandelt man keinen Freund. Dietz-Chef Heiner Lindner ist enttäuscht, aus tiefster Sozi-Seele. Stets hat er zu Lafontaine gehalten, auch nach dessen Rückzug als Finanzminister und Parteichef.
Zwei Monate lang hatte er den prominenten Autor umschmeichelt. Am Ende lag das Angebot seines kleinen Verlages bei 570.000 Mark, und Lafontaine schlug ein. Verbal jedenfalls, ein Vertrag existiert nicht. Weshalb Lindner dem Saarländer nun auch die Freundschaft aufkündigt. Denn am Mittwoch ist Lafontaines Enthüllungsbuch im Econ-Verlag erschienen. „Reingelegt“ habe ihn Oskar, lässt Lindner seiner Enttäuschung in der Zeit freien Lauf. „Skrupellos, unehrlich, auf jeden Fall geldgierig.“
Dabei hatte es noch im Mai so gut ausgesehen. Verleger Lindner sah schon den Umsatz in schwindelerregende Höhen steigen. Der kleine Dietz-Verlag macht das Rennen gegen Bertelsmann und Holtzbrinck! David schlägt Goliath.
Ein Anruf wirft Lindner wenige Tage später hart auf den Boden der Realität zurück. In der Leitung ist Lafontaine: Die Springer-Tochter Econ biete 600.000 Mark plus ein sattes Extrahonorar. Sicher, ein einstiger Finanzminister muss sich aufs Feilschen verstehen. Doch ein Ehrenwort brechen des schnöden Mammons willen? „Du hattest mir das Buch fest zugesagt!“ Ob der abgetretene Parteichef fürchte, der SPD-nahe Verlag werde nicht loyal mit seinem Manuskript umgehen? Lindner versteht die Welt nicht mehr.
Beim ersten öffentlichen Auftritt des Saarländers nach seinem Abgang das Zusammentreffen: Lafontaine macht gegen die Angebotspolitik der Regierung Kohl Front. Doch die vertrauten Thesen erscheinen dem Verlagschef plötzlich in neuem Licht: „Ich höre zwar, was er sagt, aber es klingt hohl für mich.“ Lafontaine bleibt ungerührt: „Ich habe dir immer gesagt, dass derjenige den Zuschlag erhält, der mir das höchste Honorar bietet.“ Für Verleger Lindner steht fest: „Sein Herz schlägt link, nicht links.“ Nicole Maschler
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