Wälder oder Felder oder Industrie

Welthandelsorganisation WTO veröffentlicht ihren Umweltbericht: Der Handel trägt kaum Schuld an der Zerstörung der Natur. Kritik von Umweltschützern   ■  Von Maike Rademaker

Berlin (taz) – Handel ist nicht schlecht für die Umwelt. Zu diesem Schluss kommt die Welthandelsorganisation WTO in ihrem Bericht „Handel und Umwelt“, der am vergangenen Donnerstag in Genf veröffentlicht wurde.

„Die meisten Umweltprobleme resultieren aus Produktionsprozessen, Konsumformen und der Abfallentsorgung – Handel als solcher ist kaum die Ursache für ökologische Schäden, außer beim Transport von Gütern“, fasst die WTO ihre Ergebnisse zusammen. Allerdings sei „nicht jede Form des ökonomischen Wachstums gleich gut für die Umwelt“. Das kooperative Modell der WTO, das auf Gesetzen und Verpflichtungen für alle Mitgliedsstaaten basiert, könne Beispiel sein für eine neue globale Architektur der ökologischen Zusammenarbeit.

In dem Bericht geht die WTO unter anderem auf Aspekte wie Waldzerstörung, globale Erwärmung und Verschmutzungen ein sowie auf ökonomische Anreize für die Industrie, umweltschonend zu produzieren. Die Zerstörung von rund der Hälfte aller tropischen Regenwälder in den vergangenen 50 Jahren beispielsweise begründen die Autoren Hakan Nordström und Scott Vaughan in dem Report mit wirtschaftlichen Argumenten. Wälder sind demnach artenreiche, bewaldete Landstücke, die der Mensch entweder stehen lassen oder in Anbauflächen für die Landwirtschaft umwandeln kann – je nachdem, was ihm mehr Nutzen bringt. „Man kann den Kuchen nicht gleichzeitig besitzen und essen. Es muss die Wahl getroffen werden zwischen den verschiedenen Möglichkeiten, Land zu nutzen“, stellen die Autoren fest.

Sobald der Bedarf an Land befriedigt sei und kein Nutzen mehr aus der Umwandlung von Wald in Sojafelder oder Industriegebiete gezogen werde, sei es laut Bericht wahrscheinlich, dass die Wälder wieder aufgeforstet würden – theoretisch. Praktisch ist das aber oft nicht mehr möglich, was die Autoren auch einräumen: „Die Umwandlung der Wälder, speziell der Tropenwälder, ist bis zu einem gewißen Grad unumkehrbar, sowohl aus biologischer als auch aus kommerzieller Sicht.“

Das Standardargument der deutschen Industrie, die hohen Umweltstandards in der Bundesrepublik seien zu teuer und würden sie dazu zwingen, ins Ausland zu gehen, können nach diesem Bericht nicht stimmen. Die ohnehin geringen Kostenersparnisse, die eine Produktion jenseits der deutschen Grenzen den Firmen angeblich bringe, würden aus einer Reihe von Gründen oft gar nicht erzielt, schreiben Nordström und Vaughan. Schließlich hätten die Unternehmen mit einem Umzug nicht per se die Freiheit, Gewässer, Luft und Böden zu verschmutzen, wie sie wollen. Außerdem sei es ja auch im Interesse der Firmen, überall minimalen Umweltschutz zu betreiben, allein um ihren Ruf zu bewahren.

Gleichwohl erkennt der Bericht an, dass es angemessene Umweltgesetzgebungen und eine internationale Zusammenarbeit geben muss, soll die Umwelt geschützt werden. Das Prinzip des Freihandels wird indes nicht in Frage gestellt: „Handel würde unzweideutig den Wohlstand erhöhen, wenn eine angemessene Umweltpolitik existierte.“

Von Umweltverbänden wie dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Greenpeace International wurde der Bericht mit Skepsis aufgenommen. Die WTO argumentiere zwar, dass der Konflikt zwischen Handel und Umwelt über multialterale Umweltabkommen gelöst werden müsse, sagte Charles Arden-Clarke vom WWF, erkenne aber nicht, dass ihre eigenen Regeln eben diese Abkommen unterminieren. Umweltschützer verlangen weltweit, dass die WTO ihre Regeln auf ökologische Auswirkungen überprüft und entsprechend revidiert, bevor weitere Liberalisierungen vorgenommen werden.

Der Bericht steht im Internet unter der Adresse: www.wto.org/wto/new/press140.htm