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Lange Liste der Gewalt

■ Vergewaltigung, Körperverletzung, Geiselnahme: Seit gestern muss sich ein 24-Jähriger vor Gericht verantworten

Dafür, was ihr der Angeklagte und sogenannte Verlobte Yücay Y. (24) angetan hat, verfolgt Solveig Gül* den Verhandlungsverlauf eher emotionslos. Gefasst, als wäre sie eine Prozessbeobachterin und nicht die Nebenklägerin gegen den Mann, der sie vergewaltigt und misshandelt hat, folgt sie der Verlesung der Anklage im Hamburger Landgericht.

Erst bei Yücay Y.s Einlassung zum Lebenlauf, über ihre Beziehung – „wir haben uns getrennt, dann waren wir wieder zusammen“ – schüttelt sie gelegentlich den Kopf, runzelt die Stirn, tuschelt mit ihrem Anwalt oder macht sich Notizen.

Yücay Y. wird unter anderem vorgeworfen, Solveig Gül mehrfach vergewaltigt, geschlagen und mit dem Messer verletzt zu haben. 20 Punkte wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Geiselnahme umfasst die Anklage. Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen: Er will sich erst nach den Zeugenvernehmungen äußern. Richterin Gertraut Göring gestern: „Umfangreiche Strafmilderung bringt das nicht mehr.“

Die Liste der Gewalttaten, die Y. zur Last gelegt werden, beginnt im September 1995. Damals soll Yücay Y. seiner damaligen Freundin Katja Meier* eine Rippe gebrochen haben. Als sie nach ihrer Genesung nicht mehr für ihn auf den Strich gehen wollte, soll er sie durch massive Drohungen wieder in die Pros-titution gezwungen und ihre Einnahmen von 10.000 Mark pro Monat für sich behalten haben. Als sie später zu flüchten versuchte, habe er ihr zur Strafe mit dem Messer seine Initialie „Y“ in den Körper geritzt und sie vergewaltigt.

Solveig Gül erging es offenbar nicht anders. Im Dezember 1996 – kaum hatten sich die beiden kennen gelernt – habe er ihr eine Rippe gebrochen, später habe er das Gesicht zerschlagen. Im Februar stach er ihr mit dem Messer in den Arm und durchtrennte dabei einen Nerv. Im Juli 1997 vergewaltigte der kräftige 24-Jährige die zierliche Frau, nachdem sie sich weigerte, mit ihm zu schlafen; ein knappes Jahr später soll er der nunmehr von ihm Schwangeren in den Bauch getreten haben.

Nach der Trennung und der Geburt des Kindes entführte Yücay Y. im Februar 1999 seinen Sohn, der später vom Mobilen Einsatzkommdo befreit werden konnte. Die Anzeigen nahm Solveig Gül immer wieder zurück, weil Y. drohte, dem Kind etwas anzutun. Erst als Y. Gül im Mai 1999 einen Messerstich ins Bein versetzte und sie mehrfach vergewaltigte, erstattete sie erneut Anzeige. Der Prozess wird fortgesetzt. Kai von Appen

*Namen geändert

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